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Bünden blieben und solchen, die gegen den Willen ihres Herrn in die Stadt
zogen und sich die Freiheit dort ersaßen, gab es, wie auch die Formulierung
im Stadtrecht „nisi predictus dominus civitatis libere eum dimiserit"519 zeigt,
Freigelassene.
Von wesentlich größerer Bedeutung als die ausdrücklichen Freilassungen,
die von der Gnade des Herrn abhingen, dürfte gerade für das 12. Jahrhundert,
also noch vor dem Zerfall der Ministerialrat, die Freizügigkeit nachgeborener
Ministerialensöhne gewesen sein. Während der hörige Bauernsohn der ausdrücklichen
Erlaubnis seines Herrn bedurfte, um in die Stadt zu ziehen, hatte
der un belehnte Dienstmannssohn, wie bereits die Dienstrechte des 11. und
12. Jahrhunderts deutlich zeigen520, einen Rechtsanspruch darauf.
Führen wir uns die zum Teil beachtliche Ministerialrat der breisgauischen
und elsässischen Herren, insbesondere auch der zahlreichen elsässischen
Klöster für Murbach, Weißenburg, Selz, Ebersheim, Neuweiler, Erstein,
Andlau, Hohenburg und Niedermünster sind Ministerialen bezeugt vor
Augen, so wird uns klar, daß diese teilweise kleinen Herrschaften bereits
im 12. Jahrhundert nicht immer in der Lage sein konnten, alle Söhne
ihrer Ministerialen mit Dienstgut zu belehnen. Ihnen wird man wohl kaum
verwehrt haben, in den Dienst eines anderen Herrn zu treten oder in die
nahen Städte zu ziehen.
Mit dieser Personengruppe eröffnete sich den Städten schon im 12. Jahrhundert
, das heißt vor der endgültigen Auflösung der Ministerialität, ein
beträchtliches Reservoir an dringend benötigten Neubürgern. Diese besaßen
zwar kein Dienstgut, konnten aber von ihren Vätern mit Bargeld, Lehen von
anderen Herren521 und Eigengut522 ausgestattet werden, so daß sie durchaus
in der Lage waren, sich an Handels- und Geldgeschäften zu beteiligen.
Häufig wird ihnen auch die bei ihren Vätern gesammelte Erfahrung in Verwaltungsangelegenheiten
bei der Übernahme städtischer Ämter zugute gekommen
sein.
Da für sie das rechtliche Band zur Ministerialität gelöst war, stand auch
ihrem Zuzug nach Freiburg das Wohnverbot nicht entgegen, denn Sinn dieser
Bestimmung war es ja, Kollisionen zu verhindern, die dadurch entstehen
konnten, daß ein Bürger zugleich Ministeriale war. Der freizügige Ministerialensohn
war aber fortan nur noch Bürger.
Wir sehen also, daß die Regelung des Stadtrechts, auch wenn wir sie
nicht als unbeachtet gebliebene Bestimmung betrachten, keineswegs im Sinne
der von Maurer aufgestellten These die ministerialische Herkunft der
Freiburger Geschlechter unwahrscheinlich macht.
Bly Art. 16, Keutgen, Urk. z. städt. Verf.gesch., S. 119.
520 So heißt es besonders anschaulich im Kölner Dienstrecht v. J. 1154 in Art. 12: „Si autem
dominus eum neque curaverit nec in familiam suam eum reeeperit, ille flexis genibus cum
testimonio astantium horam pallii sui deosculabitur et ad dextrarium suum regredietur et eo
ascenso quocumque voluerit eat et cuicumque voluerit serviat" (Altmann-Bernheim,
Urk. z. Erläuterung d. Verf,gesell. Deutschlands i. MA, n. 83). Vgl. hierzu auch Nehlsen,
Snewlin, S. 27 ff., mit weiteren Nachweisen.
521 K. Bosl, Das ius ministerialium (Vorträge u. Forschungen V [i960], S. 51 ff.), S. 89; ferner
Nehlsen, Snewlin, S. 28, Anm. 190.
522 Vgl dje Belege bei H. W. Klewitz, Gesch. d. Ministerialität i. Elsaß b. z. Ende d. Interregnums
, S. 25 ff., G. Wagner, Untersuchungen ü. d. Standesverhältnisse eis. Klöster (Beitr.
z. Landes- u. Volkskd. v. Elsaß-Lothringen 9, H. XLI [1913], S. 20 f.).
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