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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1966-67/0246
und Kriegen der französischen Revolution und ihrer Nachzeit seit 1796
war Moreau mit einer Armee im Land und hatte in Mittelbaden einige Gefechte
geliefert, Karl Friedrich von Baden hatte im gleichen Jahr schon seinen
Sonderfrieden mit Napoleon geschlossen und sich bereits völlig in Abhängigkeit
von Frankreich ergeben im Urteil der Zeitgenossen eine Spanne des
Krieges und der Unsicherheit; der Glaube, daß mit dem Friedensschluß eine
Zeit verderblichen Unfriedens zu Ende gegangen sei, ist in Baden damals sehr
stark gewesen. Daß dieser Glaube trügerisch war, daß Napoleon Baden
weiterhin nur als militärisches Reservoir und politische Basis gegen Österreich
benutzen würde, war dem Volksbewußtsein noch nicht gegenwärtig;
soweit die Regierenden dergleichen ahnten, ließen sie es doch mit den durch
die Verbindung mit Napoleon gewonnenen Vorteilen gut sein und dachten in
egoistischer Kleinfürstenpolitik nicht weiter an die Zerschlagung des Reiches.
Jedenfalls herrschte das Bewußtsein vor, daß nach langer Zeit der Not und
Bedrückung wieder Friede geworden sei. Dieses Bewußtsein oder diese Meinung
war ebensosehr offiziell wie im Volke verbreitet. Hebel, von Geburt
Volkskind, dem Schicksalsweg nach Fürstendiener und Höfling geworden,
fühlte sich beiden Sphären verbunden und verpflichtet. Kein Wunder, daß er
sich tatsächlich mit dem Ereignis dieses Friedensschlusses auseinandergesetzt
und es im Gedicht beschrieben hat. Er tat dies in dem prachtvollen alemannischen
Gedicht „Der Storch", das wahrscheinlich zum Jahrtag des Friedens, also
zum 9. Februar 1802, geschrieben wurde7. Dieses Gedicht schildert in 20 Strophen
, was das Volk im Krieg zu leiden hatte und wie sehr es den endlichen
Frieden begrüßt; eingekleidet ist diese Schilderung in ein idyllisches Bild:
Der aus Afrika ins Markgräfler Dorf zurückkehrende, den Frühling und
gleichzeitig symbolisch den Frieden ankündigende Storch wird angesprochen
als weltläufiger Kenner der Ereignisse. Der bildhaften und kräftigen Sprache
dieses Gedichtes die blasse, reichlich konventionelle unseres hochdeutschen
Friedensliedes gegenüberzustellen ist schwierig; doch hiervon später. Das
alemannische Gedicht vom Storch möge im Augenblick nur soviel beweisen,
daß sich Hebel mit dem Friedensschluß zu Luneville dichterisch auseinandergesetzt
hat. Daß das Gedicht, wie wahrscheinlich, erst zum Jahrestag des Friedensschlusses
geschrieben wurde und zu so vollkommener Form fand, legt die
Annahme nahe, daß Hebel sich längere Zeit vorher schon, also vermutlich auch
schon in der Zeit des Friedensschlusses selbst, mit dem Thema beschäftigt
habe. Frucht dieser ersten Beschäftigung mit dem Stoff könnte unser Friedenslied
von 1801 sein. Daß „Der Storch" alemannisch, das Friedenslied hochdeutsch
verfaßt ist, besagt nichts gegen eine Urheberschaft Hebels an diesem:
Gerade weil die Besprechung des Luneviller Friedens ein publizistisches
Erfordernis des Tages und seine Feier der aufatmenden Bevölkerung ein
Bedürfnis war, war eine hochdeutsche Fassung das Nächstliegende; die tiefere
Durchdringung und poetische Formung des Stoffes zu einem kunstvollen,
bewußt naiven alemannischen Gedicht konnte später erfolgen. In dieser Annahme
wird man noch bestärkt dadurch, daß Hebel zu mancherlei festlichen
und auch politischen Anlässen Gedichte und Lieder geschrieben hat, alemannisch
, aber vor allem auch hochdeutsch: So für die Gesellschaft des Museums,
zum Neuen Jahr 1804, Neujahrswünsche des Wochenblattträgers für 1812, 1815,

7 ZW I S. 140 ff.; Anm. 67.

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