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Großprior seines Ordens hatte werden wollen, aber Jahrzehnte später als
badischer Gesandter in Paris starb. In den Akten der Zeit wird er meist der
Bailli de Ferrette genannt, nach der elsässisch-französischen Bezeichnung für
seinen Namen und sein Amt im Orden. Als eine letzte Verkörperung der
vergangenen Zeit erscheint er mit dieser zweifachen Namensführung. Nicht
viele seiner Standesgenossen haben so leicht wie er den Weg in die neue Zeit
gefunden. Oft hat es Generationen gedauert, bis von der alten Anhänglichkeit
nur noch die geliebte und gepflegte Erinnerung an Vorderösterreich geblieben
war. Die Freiherrn von Sickingen haben sich damals ganz von der
Heimat getrennt und sind nach Verkauf ihres Besitzes nach Österreich
gezogen44. Andere, wie die Harsch oder Wittenbach45, behielten
zwar ihre Breisgauer Güter, lebten aber meist im Kaiserstaat. Vor allem
jüngere Söhne nahmen noch Generationen lang Dienst im österreichischen
Heer 46.
Von den Einrichtungen der Breisgauer Ritterschaft hat sich das Archiv des
Ritterstandes erhalten, das im Freiburger Stadtarchiv verwahrt wird. Sein
Besitzer ist das Albert-Karolinen-Stift für Damen aus der ehemaligen vorder-
österreichischen Ritterschaft, das seinen Namen den hauptsächlichen Stiftern,
dem Freiherrn Albert von Pfirt-Blumberg und seiner Frau, verdankt.
Die Geschichte des Breisgauer Adels ist noch nicht geschrieben, wie Martin
Wellmer festgestellt hat47. Bei vielen wichtigen Einzelheiten fehlt heute das
sichere Wissen, vor allem für die Anfangszeiten. Manche Namen lassen sich
nur mit Hilfe der Akten verfolgen; andere haben ihre Spuren unverlierbar
hinterlassen. Der ständige Wechsel der Geschlechter ist kennzeichnend, der
einen ständigen Zustrom neuer Familien unterschiedlicher Herkunft ermöglicht
. Aus einer Mischung des einheimischen Ritterstandes mit neuen Mitgliedern
, vor allem aus den ehemals habsburgischen Gebieten im Elsaß, in
der Schweiz, aus Oberschwaben und Tirol, ist so der Breisgauer Adel
entstanden, mit dem sich dann französische und lothringische Geschlechter
zu einer Einheit eigenen Charakters verschmolzen. So können sich dann alle
Komponenten der Landes- und Standesgeschichte in dem Erbe eines Mannes
widerspiegeln, wie das Beispiel des eingangs erwähnten Baron N e v e u ,
des Schlofiherrn von Biengen, zeigt. In seiner Ahnentafel finden sich seit der
Einwanderung französischer Vorfahren im 17. Jahrhundert Direktoren der
Ritterschaft und vorderösterreichische Statthalter, bourbonische und habs-
burgische Offiziere, badische Beamte, breisgauische Grundherren einheimischer
, elsässischer oder schweizerischer Herkunft. Basler Fürstbischöfe oder
Komture des Deutschen und des Malteserordens gehörten zum Kreise dieser
Verwandtschaft und beeinflußten maßgeblich die Entwicklung ihrer Familien.
So gesehen erscheint dieser badische Grundherr mit dem fremdländischen
Namen wie ein Symbol der Geschichte des Adels im Breisgau.
44 Mit dem Grafen Joseph v. Sickingen-Hohenburg ist das Geschlecht 1932 in Wien
erloschen.
45 Ausgestorben mit dem 1918 in Cilli gestorbenen k. u. k. Leutnant Ludwig Freiherr v. Wittenbach
.
46 So starb der letzte Falkenstein, Maximilian, als österreichischer Oberst in Pardubitz
1901. Der 1906 gestorbene Baron Hannibal Schauenburg war k. u. k. Rittmeister a. D. Als
österreichischer Oberstleutnant starb 1867 der Baron Hugo Harsch und 1874 der Graf Karl
Andlaw-Homburg.
47 Wellmer a. a. O.
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