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den, heute mit stummen Pfeifen ausgefüllten Prospektfenster die Manier
des Gengenbacher Chorgestühlmeisters verraten und sich durch winzige,
zierliche Motive von den übrigen Dekorationen abheben, unterscheidet sich
die Schnitzerei der Türe noch auffälliger durch elegant zusammengefügte
Rokokoformen, die keinen Zweifel daran erlauben, daß die vorhandene
Einstiegstüre eine Zutat aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist.
Johann Andreas Silbermann überlieferte in seinen Aufzeichnungen über
die Orgel der Gengenbacher Abteikirche eine Nachricht66, die eine genaue
Datierung zuläßt und zeigt, daß dem Einstiegstürlein die Aufgabe zugedacht
worden ist, an umfangreiche Instandhaltungsmaßnahmen während der
genannten Zeitspanne zu erinnern: „Als diese Orgel wider solte Reparirt
werden, begehrte Ronconi 67 1000 11. Ein anderer deme es um 700 fl veraccor-
dirt wurde aus Schwaben (Randbemerkung: ,Aö: 1777'), nachdem er schon
wo nicht alles doch das meiste Geld empfangen hatte, starb. Die Wittfrau
soll einen gesellen schlicken wollen. Als ich 1779. die Orgel bey den Herrn
P. P. Franciskanern in Offenburg machte, so kam (Montag) den 19 Julius der
Herr Pater Professor von Gengenbach, er erzehlte mir von der Orgel, daß
ein Orgelmacher eine Reparation daran zu machen angefangen habe, und da
er krank worden, und gestorben, so hat die Wittib einen Gesellen geschlickt
der sie gemacht hat. Diese Reparation habe 1000 fl gekostet, und hat doch
nichts genutzet." Es ist schade, daß Silbermann den nach Gengenbach verpflichteten
Orgelmacher aus Schwaben nicht namentlich kennzeichnete und
es uns überließ, uns den Kopf über den fremden, um 1777 verstorbenen
Meister zu zerbrechen. Nach meinem Dafürhalten deutete Silbermann mit
seiner Notiz nur an, daß in Gengenbach ein Orgelmacher eingesetzt wurde,
der ihm bis zu jenem Zeitpunkt noch nicht ins Gehege geraten war. Bei dem
Bemühen des Straßburger Meisters, möglichst alles Ungünstige über die
Konkurrenten festzuhalten, hätten wir sonst mit Gewißheit den Namen des
1777 beschäftigten Berufsgenossen erfahren, wenn es sich um einen ständig
im Oberrheingebiet tätigen Orgelbauer gehandelt hätte. Dazu noch eine
Bemerkung: Professor Meyer-Siat wies schon 1965 auf den in der Literatur
anzutreffenden Irrtum, die Gengenbacher Abteikirchenorgel in die Werke
Joseph Rabinys (1732 1813) einzureihen, hin. Dabei ließ der Straßburger
Orgelforscher die Möglichkeit offen, daß der Neffe und Werkstattnachfolger
des großen Karl Joseph Riepp (1710 1775) Reparatur- oder Pflegearbeiten
in Gengenbach ausgeführt haben könnte 68. In der Tat geht von den Lebensdaten
der beiden aus Ottobeuren stammenden Orgelbaumeister die Versuchung
aus, an eine gewisse Verbindung mit dem Silbermann-Text zu denken
, zumal 1777 die Witwe Riepps, Anne Francoise Eve (1718 1779), noch in
Dijon lebte und Rabiny außer in Schuttern auch in Friesenheim und Haslach
i. K. arbeitete. Trotzdem möchte ich die Riepp-Rabiny-Werkstatt nicht mit in
66 Wie Anm. 22, Seite 152 Mitteilung von Herrn Professor Dr. Rudolf Walter, Heidelberg Eppelheim
.
67 Mitteilung von Herrn Orgelsachverständigen Bernd Sulzmann, Ettenheim, daß Ambrosius
Ronzony, „ein Italiener", in oberrheinischen Orgelbauakten der Zeit von 1760 bis etwa 1793
öfters vorkomme. Ronzony sei in Burkheim am Kaiserstuhl wohnhaft gewesen und hätte dort
sehr wahrscheinlich die Werkstatt Jos. Adrien Pottiers übernommen. Vgl. Nachrichtenblatt der
Denkmalpflege in Baden Württemberg, Jg. 11/1968, Heft 1, Seite 26, Anm. 20.
68 p. Meyer-Siat, Les Callinet Facteurs d'orgues a Rouffach et leur oeuvre en Alsace, ISTRA
Strasbourg 1965, Seite 22.
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