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Am 14. Mai morgens 8 Uhr fanden sich alle bei Bannwarth ein. Herr Ste-
phani eröffnete den andern, daß er am Abend vorher nochmal mit H. v. Marschall
gesprochen und von ihm erfahren habe, daß er heute (den 14.) den Sekretär
Grafen v. Andlau51 mit einem Schreiben an den H. Minister Präsidenten
Bekk mit dem ersten Bahnzuge absenden werde. Er (Stephani) habe sich
nun entschlossen, durch diese Gelegenheit an Bekk zu schreiben, was wirklichen
geschehen sei, und er wolle uns nun das Concept seines Briefes vorlesen
.
Nach einer einleitenden Erzählung der Vorgänge vom 13. abends folgte
nun in dem Schreiben die Bemerkung: H. Nombride habe sich geneigt erklärt,
unter dem Vorwande der Kränklichkeit oder sonstiger Hindernisse die Übernahme
der Direktorialgeschäfte abzulehnen. In diesem Falle würde ihm (dem
H. Stephani) als dem im Dienstalter nächstfolgenden Rathe die Direktion
gesetzlich zustehen, es würde dann also kein wesentliches Hindernis mehr
obwalten, daß er die Geschäftsleitung übernehmen und daß er mit den andern
Collegialmitgliedern fernerhin funktionieren könnte.
Es wird der Erwähnung nicht bedürfen, daß hier nur der ungefähre Sinn
des Briefes, nicht aber der Wortlaut desselben angegeben werden kann, da
die einmalige flüchtige Vorlesung dieses nicht möglich gemacht hat.
Ich kann mich des Ausdrucks nicht enthalten, daß der Inhalt dieses Briefes
die Zuhörer alle mit Entrüstung erfüllt hat.
Wohl hat H. Stephani am vorigen Abend bei H. v. Marschall dem H. Nom-
ride dieses Auskunftsmittel schon in Vorschlag gebracht, dieser hatte aber
entschieden erklärt, daß er darauf nicht eingehen könne und werde. Um so
auffallender war es also Allen, daß H. Stephani trotz der Weigerung des H.
Nombride ohne dessen Vorwissen und gleichsam hinter seinem Rücken den
gleichen Vorschlag als eine gleichsam schon abgemachte Sache zur Kenntnis
der höheren Staatsbehörde gebracht hat.
H. Nombride sowohl als die beiden anderen Regierungsglieder gaben
deshalb dem H. Stephani ihr Erstaunen und ihre Mißbilligung dieser Handlungsweise
unverholen zu erkennen und Letzterer versicherte, daß dieses nur
einem Mißverständnis zuzuschreiben sei, indem er wirklich geglaubt habe,
H. Nombride hätte sich in diesem Sinne geäußert.
Es wurde nun über die Frage, was zu geschehen habe, weiter beraten,
und weil sich niemand dazu verstehen wollte, unter einem von den Empörern
eingesetzten Direktorium ferner zu dienen, selbst dann nicht, wenn
durch ein Nachgeben des H. Nombride der Schein der Gesetzlich[keit] für ein
solches Präsidium gewahrt werden könnte, da ferner H. Nombride zu einer
solchen Nachgiebigkeit nicht geneigt war, so vereinigte man sich endlich dahin
, daß die 4 Regierungsmitglieder von dem Schreiben des Adv. Heunisch
insoweit es dem H. Stephani die Leitung der Geschäfte übertragen hat
keine Notiz nehmen und die Geschäfte nach wie vor unter dem Vorsitze des
H. Nombride fortführen sollten.
Es ist zwar an H. Stephani das Ansinnen gestellt worden, daß er sich in
diesem Sinne gegen Adv. Heunisch schriftlich äußern und die ihm übertragene
Geschäftsleitung förmlich ablehnen möge; dazu war er aber nicht zu bestim-
51 Otto Graf von Andlau war zu dieser Zeit Reg. Sekretär in Karlsruhe.
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