http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1972/0026
Das bischöfliche Archivwesen von Konstanz, Chur, Basel und Straßburg ist
da regelrecht monographisch abgehandelt. Von hier aus gewinnen wir eine
Reihe von Vergleichsmöglichkeiten. Wie Albert Bruckner dort in seinen einleitenden
und zugleich zusammenfassenden Betrachtungen deutlich gemacht
hat4, lassen sich für die frühmittelalterliche und überwiegend auch für die
hochmittelalterliche Zeit kaum nähere Daten für ein geordnetes Verwahren
der bischöflichen Urkunden im Sinne einer Registratur ermitteln. Das wichtigste
Indiz (sieht man von den nicht näher präzisierbaren frühen Nachrichten
über „scrinium" bzw. „armarium" usw. ab) für eine registratorische Ordnung
ist die Dorsualnotiz. So hat sich die jüngere Forschung, soweit ich sehe, auch
überwiegend mit den methodischen Implikationen der Rückvermerke auseinandergesetzt
. Diese kurzgefaßten Vermerke auf dem Dorsum der Urkunde
dienten primär der Orientierung des Registrators bzw. Archivars und Benüt-
zers und wurden dann zunehmend in Richtung auf regestartige Inhaltsangaben
entwickelt5. Bruckner teilt mit, daß Dorsualnotizen auf Basler Urkunden erstmals
in der Wende vom 12.713. Jahrhundert auftauchen, für Konstanzer Urkunden
erst ein Jahrhundert später nachweisbar sind, freilich ohne eine Fachsignatur
, d. h. ohne eigentlichen Registraturvermerk in Form von Buchstaben
oder Ziffern bzw. in der kombinierten Form. Diese eigentliche Registratoren-
tätigkeit liegt für Basel im 16. Jahrhundert und für Konstanz sogar erst im
17. Jahrhundert. Überdies dürfe, so resümiert Bruckner weiter, das Vorkommen
von Dorsualnotizen nicht einfach als Zeichen einer geregelten Archivierung
angesehen werden. „Erst wenn die Notizen verschiedener Dokumente
von ein und derselben Hand herrühren, kann auf eine planmäßige Archivierung
mit einiger Wahrscheinlichkeit geschlossen werden6."
II.
Diese grundsätzlichen methodischen Bemerkungen mögen für die nachfolgenden
Darlegungen als Hintergrundmaterial dienen. Wir werden sehen,
wie die Entwicklung im Kloster St. Blasien zu skizzieren ist, vor allem, worin
sich die St. Blasianischen Verhältnisse von diesen bischöflich-konstanzischen
bzw. baseischen unterscheiden.
Zunächst ist darauf abzustellen, daß sich fast keine Urkunde St. Blasiani-
scher Archivprovenienz (zumindest aus dem von mir bearbeiteten Zeitraum
bis 1300) findet, die nicht eine Vielzahl von Dorsualnotizen (im Durchschnitt
fünf bis sechs) seit dem beginnenden Spätmittelalter aufweist. Indes sind bedauerlicherweise
in den meisten Fällen die frühen Rückvermerke von einem
Klosterarchivar des 18. Jahrhunderts rigoros radiert worden, der offensichtlich
ein Monopol in der Formulierung von ausführlichen Regesten beanspruchte
und sein Ordnungssystem gegen die tradierten Ordnungsprinzipien rücksichtslos
durchsetzte, wie wir unten noch sehen werden. Immerhin sind diesem
4 Das bischöfliche Archivwesen am Oberrhein.
5 Vgl. Bruckner, wie Anm. 1, 127 Charakterisierung der frühen St. Galler Dorsualnotizen: „Dem
Aufbau nach setzt sich eine solche aus den Grundbestandteilen von Tradent und tradiertem Gut,
Venditor und Kaufgegenstand, Concambiator und Tauschobjekt, im einfachsten Fall also aus
Rechtssubjekt und Rechtsobjekt zusammen." Bruckner hat schon früh für unseren alemannischen
Raum am eindringlichsten den Quellenwert der Rückvermerke erkannt.
6 Diese Linie wird von Bruckner bereits in der Studie (Anm. 1) herausgearbeitet: durchgreifende
archivalische Aufarbeitung in einem systematischen Durchgang zu praktischen Zwecken als erste
Stufe eines wohlgeordneten Archivs.
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