http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1972/0077
vom 22. August 1818, die schon durch ihre Veröffentlichung weithin Aufsehen
erregte und gerade im badischen Volk breite Zustimmung fand; zu ihren
grundsätzlichen Vorschriften gehörten das Thronfolgerecht der Hochberger
und die Unverletzlichkeit des Staatsgebietes.
Noch fehlte aber die Sicherung der Thronfolge und des Landes von außen
her, die nur über einen Ausgleich mit Österreich und Bayern zu erreichen war.
Als dritte der Aktionen Reitzensteins und Tettenborns war sie die schwierigste
. Von ihr hing die Erhaltung Badens überhaupt ab. Sie ließ sich nicht kraft
der souveränen Stellung des Crofiherzogs und seines Staates allein bewältigen
, sondern fast nur auf diplomatischem Weg. Dieser Weg führte nach der
damaligen Situation in Europa über die vier Monarchen der Mächte, die in der
Heiligen Allianz vereint waren: den Kaiser von Österreich, den Zaren von
Rußland, den König von Großbritannien und den König von Preußen. Nur
ihre Zustimmung verschaffte vollkommene Garantie.
Für Reitzenstein, Tettenborn und den badischen Außenminister Wilhelm
Freiherr von Berstett, die stark danach drängten, dieses Problem gründlich
zu lösen, spitzte sich die Lage im August und September 1818 geradezu dramatisch
zu. Da der Zustand des Grofiherzogs von Tag zu Tag bedenklicher
wurde, war größte Eile geboten, um noch vor seinem Tod das Ziel zu erreichen
und unübersehbare Konsequenzen auszuschließen. Überdies stand der
Kongreß der Monarchen der Heiligen Allianz in Aachen bevor, zu dessen Programm
die badische Frage gehörte. Die fieberhafte Spannung hielt in Karlsruhe
viele Wochen lang an, erhöht durch Anzeichen eines bayerischen Einmarsches
in das nördliche Baden und die dadurch ausgelöste Mobilmachung
und Konzentration badischer Truppen im Main-Tauber-Kreis und, vorsorglich,
im Breisgau.
In persönlichen Verhandlungen mit Metternich, auch mit Hardenberg, hatte
Tettenborn, unterstützt von allen Freunden Badens, endlich bis zum Kongreßbeginn
folgendes ausgehandelt: Baden tritt an Österreich die Exklave Steinfeld
am Main (bei Wertheim) ab, die von Österreich dann an Bayern übereignet
wird, während Österreich die Grafschaft Hohengeroldseck Baden überläßt
. Der Tausch sollte aber nicht nur einen territorialen, sondern vielmehr
einen vollen politischen Ausgleich besiegeln. Österreich verzichtete auf die
Wiedergewinnung seiner einstigen vorderösterreichischen Tande, Preußen
war gegen einen deutlichen bayerischen Gebietszuwachs, Großbritannien fand
nichts einzuwenden, ihm lag die ganze Sache fern. Unklar blieb bis zuletzt das
Verhalten der russischen Minister Capodistrias und Nesselrode, denen das
Problem fremd blieb, und des Zaren Alexander selbst. Erst bei einem Bittgang
Berstetts ließ sich der Zar, auf den es jetzt allein noch ankam, in Aachen die
Zustimmung abringen; Berstett, der auf dieses heikle Unterfangen gesetzt
hatte, sah sich durch diesen Erfolg bestätigt18. Obwohl der Zar für Baden am
wenigsten geleistet hatte, wurde er kurz darauf bei einem Besuch in Karlsruhe
öffentlich als Retter Badens gefeiert.
Das Konferenzprotokoll wurde am 20. November 1818 in Aachen unterzeichnet
. Es fixierte als endgültige Vereinbarungen die Anerkennung der
18 Eduard V e h s e : Geschichte der deutschen Höfe seit der Reformation. Bd. 26, Vierter Teil;
Baden. Hamburg 1853, geht auf die Vorgänge in Aachen nicht ein, weil sie erst durch die Veröffentlichung
der Schlußbände 7 und 8 der „Denkwürdigkeiten" Varnhagens im Jahre 1859 bekannt
wurden.
75
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1972/0077