http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1972/0125
aufgesetzt wird, welches mit einer scherzhaften Rede, der Strohkranzrede
durch den Strohkranzredner geschieht"20.
Fassen wir alle diese Belege und Schilderungen zusammen, so handelt es
sich zweifellos um eine ursprünglich bäuerliche Sitte, wobei der Strohkranz
als Schimpf für die verlorene Jungfernschaft aufgefaßt worden ist21. Mit der
Zeit wurde dieser Sinn jedoch zurückgedrängt, das Ganze scherzhaft aufgefaßt
und auch in der höfischen Gesellschaft übernommen. Das in unserer Quelle
gebrauchte Wort „Strohrede" ist eine Klammerform aus „Strohkranzrede"22.
Graf Enzenberg ahnt wohl den Sinn dieses „aus dem grauesten Altertum"
überlieferten Brauches, doch steht für ihn das aufwendige und wohlgeregelte
Zeremoniell der höfischen Gesellschaft im Mittelpunkt des Interesses, und es
erregt nicht im mindesten seine Neugier, warum im Verlaufe dieses Hochzeitsbrauches
ein Strohkranz überhaupt nicht genannt wird oder gar in Erscheinung
tritt, wenn wir von dem „sicherlich strohumwundenen, aber nicht brennenden
Span" in der rechten Hand des Strohredners absehen. Verständlicher-
weise berührt ihn die sogenannte Strohrede im Verlaufe dieser Veranstaltung
besonders und dabei wiederum der Umstand, daß der eben erwähnte, später
brennende Wachsspan die Länge der Strohrede willkürlich bestimmt. Ohne
Zweifel empfand Graf Enzenberg den Antrag als ehrenvolle Auszeichnung,
wohl wissend, daß es sich durch die gebotene Rücksichtnahme auf gesellschaftliche
und persönliche Dinge um eine heikle und schwierige Aufgabe handelte.
Die Feierlichkeit der Strohrede23
Vorwort
Zu Freiburg im Breisgau herrschte eine aus dem grauesten Alterthum sich
herschreibende, nur selten aber in den neueren Zeiten in Ausübung gebrachte
Gewohnheit, unter dem Namen „Strohrede" bekannt. Offenbar lag unter der
scherzhaften Decke ein hoher Sinn Aneiferung des weiblichen Geschlechts
zur strengsten Sittlichkeit und zu allen häuslichen Tugenden nämlich verborgen
, und wenn dieser enthüllt, erklärt sich leicht alles, was dabei üblich
war. Sie bestand darin: jede jungfräuliche Braut (Witwen, zur zweiten Ehe
überschreitend, waren ausgeschloßen) ohne Rücksicht auf Stand, die sich so
viel zutraute, war berechtigt, zur genannten Feierlichkeit einzuladen, nicht
aber jeder Eingeladene verbunden dabei zu erscheinen, ja er brauchte nicht
einmal sich zu entschuldigen; dafür aber konnte er persönlich oder durch einen
Abgeordneten sich einfinden, welches gewöhnlich der Fall bei zahlreichen
Corporationen zu sein pflegte. Die Einladung mußte allgemein sein, Alle oder
Niemand; sie konnte aber mündlich oder schriftlich, oder durch gedruckte
Zettel geschehen, die man in alle Häuser schickte. Die Braut durfte sicher auf
eine öffentliche unangenehme Rüge rechnen, wenn (oder) absichtlich oder aus
irgend einem Versehen einer auch der unbedeutendste weggeblieben war;
dem vorzubauen, schaltete man sie in die öffentlichen Blätter ein, man heftete
20 Campe, Joachim Heinrich, Wörterbuch der deutschen Sprache, Braunschweig 1870, S. 717.
21 Die Abbildung eines Strohkranzes mit 3 Zöpfen findet sich in dem Buch „Hochzeit" von Bernward
Deneke, Prestel-Verlag München 1971, S. 93.
22 Das Handwörterbuch des Deutschen Aberglaubens, aaO. kennt den Brauch in dieser Art nicht,
sondern erwähnt lediglich niederdeutsche Strohkranzreden (1793), die gelegentlich dem Letzten
beim Dreschen gehalten werden.
23 Wörtliche Übertragung des Textes. Änderungen zur besseren Verdeutlichung des Sinnes durch
die Redaktion werden hervorgehoben mit Klammern oder punktierten Linien.
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