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schloßener Rede trat der Strohredner vor die Braut hin, und machte sein Vorrecht
, sie zu umarmen, nicht ohne gegenseitiges Sträuben geltend; darauf
legte er der Erste seine Gabe Haussteuer auf den Tisch Hymens Altar25 -
hin und stellte sich hinter ihr dem Bräutigam zur Linken, wo er blieb so lange
die Feierlichkeit dauerte. Auf ihn folgten die Fackelträger, die aber nur die
Hand küßen durften. Auf diese endlich alle Anwesende wie die Reihe sie traf,
ohne auf Rang oder andere Vorzüge zu sehen, was Menge, Raum und Eilfertigkeit
nicht anders zu ließen, und diese mußten für ihre Geschenke sich
mit einem holden Blicke, dem sanften Lächeln oder einem freundlichen Knix
der Braut hinlänglich belöhnt glauben. Es gehörte zu den größten Beleidigungen
mit ganz leeren Händen gekommen zu sein: ein kostbares Schmuckkästchen
oder ein Nadelbüchschen, gleichviel für den Geber, aber etwas mußte er
geben. Aus der Zahl der Anwesenden, dem Werthe und der Wahl der Gaben
war es leicht auf die Stuffe der Achtung und der Zuneigung zu schließen, in
welche die Braut sich beim Bublicum zu setzen gewußt hatte. Oft waren es
wie dießmal sehr kostbare und geschmackvolle Geschenke, oft nur im Hauswesen
sehr brauchbare Geräthe und Erfordernisse, oft eitel Tändelein, nicht
ganz selten mischten sich auf witzige, anspielende, selbst satyrische ein; immer
aber blieb es für die Braut ein großes Wagestück sich dieser Feierlichkeit zu
unterziehen. Wie man mir sagte soll seit Menschengedenken nie eine so schmeichelhaft
, so glänzend und so reichlich ausgefallen sein, wozu nebst dem Verdienst
der lieben und achtungswürdigen Braut, noch mehr zusammentreffende
Umstände, die hierher nicht gehören, die Veranlaßung gaben. Die gesammelten
Geschenke blieben durch 3 nacheinanderfolgender Tage gut bewacht wie
man leicht denken kann, der öffentlichen Schau der weit und breit herbeiströmenden
Menge ausgestellt und man sprach wohl eine volle Woche in der
Stadt und auf dem Lande von nichts als was darauf Bezug hatte; Jedermann
nach seiner Ansicht und den inneren Empfindungen seines Herzens, die unbezähmbar
in Worte ausbrachen. Das Übrige besorgt das Nachfolgende:
Strohrede
gehalten zu Freiburg im Breisgau am 13 September 1769 bei Gelegenheit der
öffentlichen Vermählungsfeier Ernestinens Fr. von Rott zu Gaburg-Lonheim
mit Wolfgott Traugott Freiherr von Münzer, Churpfälzischem Obrist26.
Liebe heiliges Feuer! Du warst es, was, nicht minder kühn als wohlthätig
Prometheus den Unsterblichen entwand um es der Vergänglichkeit mitzu-
theilen, du bist es, der Leben einhaucht und das Gegebene beglückt und beseligt
. Durch dich nur fühlt der Vogel sein Dasein in der Luft, der Fisch im
25 Hymen — griech. Gott der Hochzeit, der Ehe? vgl. Hermann Menge, Griechisch-Deutsches Schulwörterbuch
, Berlin 1903, S. 583.
26 Das Hochzeitspaar konnte nicht ermittelt werden, weil die Namen nicht richtig wiedergegeben
sind, was auch bei anderen Namen der Fall ist. Nach A. Müller könnte Ernestine von Rott zu
Gaburg-Lonheim
1. eine Tochter des Franz Christoph Joseph von Rodt, Kommandant zu Altbreisach (1743 gest.,
sep. Freiburg/Münster) sein, oder
2. ihre Familie stammt aus dem Elsaß, wofür die Vormundschaft der Freifrau von Ulm (= Maria
Susanne von Ulm geb. Kempf von Angreth) spricht; mit unseren Mitteln nicht faßbar.
3. Die Braut stammt aus Franken (Gamburg bei Tauberbischofsheim), worauf die Verwandtschaft
mit den Sickingen und Sturmfeder deutet.
Auch der Bräutigam Wolfgott Traugott Freiherr von Münzer konnte in der einschlägigen Literatur
nicht ermittelt werden. Vielleicht könnte der Bräutigam Münster heißen, einer dem fränkischen
Uradel angehörenden Familie, deren Mitglieder in der Reichsritterschaft in Franken zu finden
sind; GHdA Bd 30 (= Frhrl. Häuser A Bd. V) S. 306.
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