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das Agnus Dei gesungen. Daß auch der heutige Arzt in der Regel dreimal
ein Medikament am Tage verordnet, ist nicht naturwissenschaftlich begründbar
.
Die Zahlenfrequenz 0:1 : 3 : 5 bei den römischen Toten von Schallstadt
findet sich auch in der römischen Liturgie79. Nach dem Missale Romamim hat
der Priester entweder einmal, dreimal oder am Ende des canon missae mit
der Hostie fünfmal das Kreuzzeichen zu machen, niemals zwei- oder viermal
. Die Unterscheidung von geraden und ungeraden Zahlen spielt in der
römischen Antike eine besondere Rolle. Die ungeraden Zahlen waren den
Himmelsgöttern, die geraden den Unterirdischen eigen78. Auch in der Medizingeschichte
spielten gerade und ungerade Tage eine besondere Rolle.
Celsus berichtet in seiner medizinischen Encyklopädie80, daß die Ärzte
bei ihrer Behandlung besonders die ungeraden Tage beachten und sie, gleichsam
, als ob der Tag über den Kranken entscheiden würde, „kritische Tage"
nennen, ein Begriff, der, wenn auch mit rationalem Bezug, heute noch der
ärztlichen Sprache angehört. Von 6 Toten, in deren Urnen sich römische
Bronzemünzen gefunden hatten (Gräber 2, 10, 22, 24. 25 und 26), waren 4 in
juvenilem Alter, 2 waren anthropologisch erwachsen. Von 8 juvenilen Toten
des Friedhofs hatten jedoch 4, von 16 Erwachsenen nur 2 Münzen mit in die
Urne erhalten. Dabei ist zu bedenken, daß die beiden von uns als „erwachsen"
diagnostizierten Toten für die Zeitgenossen rechtlich noch zu einer jüngeren
Altersgruppe gehören konnten, z. B. als unverheiratete Frauen. In diesem
Sinne wäre auf dem Friedhof von Schallstadt nur juvenilen Toten eine Münze
beigegeben worden. Wir haben dieses Ergebnis mit dem Bericht von Felgenhauer
und Kloiber über das gleichzeitige römisch-norische Brandgräberfeld
von Kapfenstein in der Steiermark verglichen. Dort fanden sich die wenigen
Münzen mit einer Ausnahme ebenfalls nur bei Toten, deren Alter von
Kloiber als kindlich oder als juvenil angegeben wurde81. In der Publikation
über Kapfenstein ist dieser Zusammenhang nicht erwähnt, kann jedoch an
Hand der archäologischen und anthropologischen Fundinventare ausgezählt
werden.
Viele Aspekte dieser Untersuchungen haben sich erst durch die gemeinsame
Betrachtung der archäologischen, der paläopathologisch-anthropologi-
schen, der demographischen und der landesgeschichtlichen Untersuchung erschlossen
. Wir sind dem archäologischen Bearbeiter Gerhard Fingerlin für
die Zusammenarbeit zu herzlichem Dank verpflichtet. Es sollte keine Publikationen
von Brandgräberfeldern mehr geben, in die keine sorgfältige Untersuchung
der menschlichen Überreste und der Tierbeigaben eingeschlossen
ist. Wenn hier ausnahmsweise der paläopathologische Befund und einige
landesgeschichtliche Überlegungen vor dem Abschluß der archäologischen
Untersuchung vorgelegt werden, so geschieht dies aus Anlaß der Gedächtnisschrift
zu Ehren unseres Lehrers in der Landesgeschichte: Martin
Wellmer.
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