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Er verschwieg aber nicht, daß der Kaiser gern gesehen hätte, daß der Markgraf „in
den Religionssachen etwas mehr gemittelt, und nicht mit einer Extremität erzeigt
hätte". Noch immer hielt sich der Kaiser zurück, da er auf einen Ausgleich mit
dem Kurfürsten Moritz hoffte. Als Böcklin, der wegen seiner elsässischen Herkunft
als „Schwabe" angesehen wurde, sich besuchsweise in Berlin aufhielt, äußerte Kurfürst
Joachim auf die falsche Nachricht, daß Ulm und Straßburg sich dem Kaiser
ergeben hätten, daraus sei zu „vermerken, wie feste die Schwaben gehalten und ob
sy nit pillicher von Kaiserlicher Majestät für weiber zu halten"38. Er vergaß dabei,
daß die bedeutendsten Truppenführer seiner Zeit: Georg von Frundsberg, Schärtlin
von Burtenbach und Lazarus von Schwendi dem schwäbischen Raum entstammten.
Schon stand Böcklin im Begriff abzureisen, als Markgraf Hans ihn um eine nochmalige
Unterredung bat. Sie fand am 20. April 1552 in Küstrin statt. Der Markgraf
, empört über das Vorgehen der Kriegsfürsten gegen den Kaiser, „welche die
Religion nicht meinen, noch weniger Gottes Wort für etwas halten", erklärte sich
bereit, bei Erfüllung seiner Vorbedingungen und gegen Gewährung handgreiflicher
Vorteile auf die Seite des Kaisers zu treten. Solche Vorteile waren die Bewilligung
eines Oderzolls und die Überlassung der Besitzungen seines brandenburgischen
Vetters Albrecht Alcibiades. In seinem Memorialzettel schrieb Markgraf Hans:
„Kaiser und König, wehre dich, oder Ihr und die Eueren sind vom Reich, wenn
nicht von Eueren Erblanden darzu"39. Böcklin machte seine Vorschläge für seine
Person, aber „wol gedenken nicht ohne befehl". Den französischen König verglich
er dabei mit einem großen Vogel, wie dem Storch, den die Fische sich zum König
erwählt hätten. Auch der Markgraf bediente sich äsopischer Gleichnisse und schrieb
an den Rand des französischen Anschreibens: „glaube dir der Teufel, den Storch
zum König über die Frösche gesetzt"40.
Uber Prag, wo Schwendi sich aufhielt, begab sich Böcklin zum kaiserlichen Hof
nach Innsbruck.
Die Kriegsfürsten, vor allem Kurfürst Moritz, hatten inzwischen den Marsch
nach Süden angetreten. Am 22. Mai 1552 standen sie nach Umgehung der Ehren-
burger Klause bei Innsbruck. Eine Meuterei verzögerte ihren Einmarsch um einen
Tag und ermöglichte so dem Kaiser im letzten Augenblick die Flucht. In einer
Sänfte ließ sich der kranke Kaiser über den Brenner nach Sterzing tragen. Am 24.
Mai traf er in Lienz, drei Tage später in Villach ein, von wo ihm die Wege nach
Italien und den südlichen Erblanden offenstanden. Diese Flucht hat den Kaiser zugleich
gedemütigt und zum Widerstand ermutigt, ja seine schlummernden Energien
freigelegt. Während in Passau König Ferdinand Verhandlungen mit den aufständischen
Fürsten aufnahm, wurde Böcklin erneut vom Kaiser zum Markgrafen Hans
nach Küstrin, und sein Schwiegersohn Lazarus von Schwendi als Kriegskommissar
nach Prag entsandt. In Prag residierte Maximilian, der Sohn des Königs Ferdinand,
als Statthalter. Hier sollte Schwendi, vom Statthalter unterstützt, die Musterung
des anzuwerbenden Kriegsvolks vornehmen, wegen der Anwerbung „mit denen in
38 Druffel II, 539.
39 Druffel II, 1476, 540.
4» Zitiert bei Mollwo S. 294.
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