Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1978/0091
8. Jüdische Väter haben sicherlich nicht mehr Gewalt über ihre Kinder als christliche
über die ihren. Ein Christenkind kann aber ohne die Zustimmung seines
Vaters getauft werden, wenn dieser es etwa versäumt hat, diese vollziehen zu
lassen.

9. Gott muß das Seine zurückerhalten. Wenn ihm Seelen verweigert werden, so
bedeutet dies Betrug. Infolgedessen haben die Fürsten die Gewalt, diesem Betrug
zuvorzukommen.

10. Die Pflicht seinem Nachbarn zu helfen, erstreckt sich auch auf Juden. Mithilfe,
um zum rechten Glauben zu gelangen, ist aber der größtmögliche Akt von
Bruderliebe.

11. Die Gemeinschaft beruht auf der Einheit des Glaubens, wie das bürgerliche
Recht erklärt. Diese Einheit ist die Grundlage der Gerechtigkeit.

12. Einem Kind die Taufe zu verweigern, bedeutet, es der sicheren Verdammnis
anheimzugeben. Ein Vater, der dies ablehnt, ist kein Vater, sondern ein mutwilliger
Herausforderer des göttlichen Willens.

Für die Richtigkeit seiner Thesen führt Zasius weniger Gewährsleute auf, als
für die entgegenstehenden thomistischen Lehrmeinungen. Doch kann er sich berufen
auf: Stephan Bonnier aus der Provence (f 1298), Johann Duns Scotus OFM
(t 1308), Guy von Baysio, genannt Archidiaconus (f 1313), Peter Aureoli OFM
(t 1322), Johannes Andreae (f 1348), Landolph Carraciolo (f 1351), Johannes
Nicoletti von Imola (f 1436), Alphonse Lopez de Spina OFM (| 1469), Angelo
Carlatti von Clavisio (f 1495), Gabriel Biel (f 1495) und Zasius' Kollegen Georg
Northofer (f 1509).36 Scotus und Biel waren eindeutig die wichtigsten unter der
Reihe dieser Zeugen. Die stichhaltigsten Argumente gegen die hergebrachten Vorstellungen
von den Rechten der Juden, die Scotus vorgebracht hatte, waren von
dem Zusammenfasser Biel noch erweitert worden.37

Nachdem Zasius seine Ansichten klargestellt hat, geht er auf die Argumente derjenigen
ein, die diesen entgegenzustehen scheinen. So kann er folgendes feststellen:

1. Juden sind Sklaven und dürfen daher Güter nur innehaben dank der Frömmigkeit
der Christen. Es handelt sich aber aus diesem Grund nicht um wirkliches
Eigentum (proprietas), sondern um Sklavengut (peculium). In Deutschland
haben zwar Sklaven und halbfreie Personen begrenzte Eigentumsrechte,
und das kanonische Recht erlaubt ihnen die Eheschließung. Die Inanspruchnahme
dieser rechtlichen Möglichkeiten widerlegt aber die bestehende Sklaverei
nicht.

2. Jeder Elternteil hat zwar das Recht zur Erziehung des Kindes. Dies besteht
aber nicht, wenn die Erziehung verderblich für das Kind ist. Es ist also besser,
den Sohn vom Vater zu trennen, als zu erlauben, daß der Sohn stirbt.

3. Ein Kind zu taufen bedeutet nicht, es zum Glauben zu zwingen. Denn das
Kind besitzt ohnehin noch nicht die Fähigkeit zur freien Zustimmung. Die
Taufe ist aus diesem Grund auch keine Nötigung.

4. Die Kirche sieht sich in einer stetig wechselnden Welt immer wieder neuen
Problemen gegenüber. Sie ist daher verpflichtet ihre Heilsmittel jeweils den
neuen Verhältnissen anzupassen. Wenn die Wegnahme christlicher Kinder im

89


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1978/0091