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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1978/0104
Über den Vater

Der Vater gehörte der freiheitlichen Richtung gegen Metternichs Politik der
Unterdrückung an, die bei der Regierung in Karlsruhe gehorsame Diener fand.
Der Badische Minister Friedrich von Blittersdorf [1792-1861] hat, was ich aus
dem Munde des Vaters oft vernommen, in der zweiten badischen Kammer erklärt,
einen Beamten, der nicht blind gehorche, zerbreche er wie ein Rohr. Wie mir die
Mutter erzählte, äußerte der mit der Gesinnung seines Sohnes nicht einverstandene
Großvater im „Museum" zu Freiburg, der Gesellschaft für die höheren Stände,
als die von den Universitätsprofessoren Karl von Rotteck [1775-1840] und Karl
Theodor von Welcker [1790-1869] entworfene Petition um Aufhebung des Priesterzölibats
erörtert wurde: „mein Sohn, der Lausbub, hat auch unterschrieben."

Mein Vater war damals Hofgerichtsassessor. Bei solcher Gesinnung war es begreiflich
, daß die Regierung den unruhigen Kopf mit Mißfallen betrachtete.

Der Vater, Naturfreund und tüchtiger Wanderer, hat eine Reihe von Ausflügen
mit Angabe der Kosten aufgezeichnet; er marschierte im Mai 1833 mit meinen
Brüdern Alexander und Wilhelm, 8 und 6 Jahre alt, in einem Tage von Freiburg
über Waldkirch, Simonswald, St. Peter ins Dreisamtal, 12 Wegstunden mit einem
Kostenaufwand von 4 Gulden und 21 Kreuzer und im gleichen Jahr allein in
einem Tage nach dem 6 Stunden von Freiburg entfernten Müllheim und zurück.

Der Familientisch sah nie geistige Getränke; auf einem Nebentischchen stand
ein großer Krug, den die Buben abwechselnd von Woche zu Woche am öffentlichen
Brunnen füllen mußten. Ein Kind sprach das Tischgebet, und der Vater hielt,
oben am Tische sitzend, sein Hauskäppchen in den Händen. Während des Essens
durften die Kinder sich nicht mucksen. Das Wassertrinken spielte eine große Rolle.
Bei einem nur auf Zufall beruhenden Kartenspiel „Landnausjagerles" mußte der
Verlierende einen Schoppen Wasser ohne abzusetzen leeren.

Kam der Vater aus einer um 8 Uhr begonnenen erschöpfenden Morgensitzung,
nachdem wir mit der Mutter längst zu Mittag gegessen hatten, nach Hause, so
mußten wir Kinder das Zimmer meiden, solange der Vater mit der Mutter an der
Seite sein Mahl einnahm. Der Vater galt als ein anregender Gesellschafter. Diese
Seite zeigte er uns Kindern selten. Nur einmal sah ich ihn in feuchtfröhlicher Stimmung
, als er mit einigen Freunden spät in der Nacht von dem Abschiedsfeste zu
Ehren eines Kollegen nach Hause kam. Die Mutter, Lina und Cousine Sofie Leuß-
ler mußten aus dem Bett aufstehen; es wurde getanzt, und ich spielte Klavier dazu.

Ungehorsam wurde streng bestraft. Gegen des Vaters Verbot waren einmal in
seiner Abwesenheit meine jüngeren Brüder Julius und Karl wieder in das unserer
Wohnung [in der Weberstraße] gegenüberliegende Rebgelände des Nachbarn [damalige
Anlagen zwischen Friedrich- und Ringstraße] gegangen. Die Mutter sandte
mich, die Brüder herbeizuholen. Während ich drüben mit den Widerspenstigen
verhandelte, kam der Vater nach Hause, nahm das schwarzlackierte lange Rohr
seiner Tabakspfeife und hieb uns tüchtig durch. Die Beteuerung, daß ich unschuldig
sei, half mir nichts. Die Mutter sagte gewöhnlich in solchen Fällen, bei denen
der volle Schuldbeweis nicht erbracht worden war: „Das ist für ein anderes Mal."

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