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vollste von uns Brüdern. Jene Schuldienerin sagte, als sie wieder einmal ihres
Schergenamtes waltete und einen der jüngeren Brüder in den Karzer einsperrte, zu
ihm: „Ist es möglich, daß ihr Teufelsbraten mit dem braven Alexanderle aus einer
Schüssel gegessen habt?".
Nach der Rückkunft von Basel lief die Mutter trotz starker Einquartierung von
einer Behörde zur andern, um freies Geleit für den Vater zu erwirken. Sie war so
erregt, daß sie einem bei uns einquartierten preußischen Unteroffizier Dinge sagte,
wegen deren sie der Majestätsbeleidigung hätte angeklagt werden können.
Nach Monaten ertönte die frohe Botschaft: „Der Vater kommt!". Auf einem
offenen Wägelchen eines Freundes sahen wir ihn auf der Straße von Kolmar her,
seinem letzten Aufenthalt im Ausland, zur Stadt fahren. Wir drei jüngeren sprangen
dem Wagen nach voll Freude, daß wir den Vater wieder hatten.
Die gegen den Vater wegen Hochverrats eingeleitete Untersuchung endete damit
, daß das Oberhofgericht in Mannheim ihn für „klagfrei" erklärt d. h. ausgesprochen
hat, wegen Mangels der Beweise liege kein Grund zur weiteren gerichtlichen
Verfolgung vor.
Desungeachtet hat man dem Vater die gesetzliche jährliche Besoldung von 1900
Gulden vorenthalten. Jedoch erging niemals eine förmliche Entscheidung, kraft
welcher der Vater seines Amtes als Hofgerichtsrat entsetzt worden wäre. Die
Machthaber fanden dies für überflüssig. Daher strengte mein Vater einen Rechtsstreit
gegen den badischen Fiskus an. Die zwei ersten Instanzen wiesen auf Grund
der Ansicht des Justizministers Anton von Stabel [1806-1880] früher Kollege des
Vaters, aber mit ihm persönlich verfeindet- aus welcher Ursache weiß ich nicht -
die Klage des Vaters auf Zahlung seiner Bezüge ab. Nach Einlegung der Oberappellation
an das Oberhofgericht bedeutete ihm Minister Stabel, man wolle ihm
eine jährliche „Sustentation" von 700 Gulden bewilligen, wenn er auf die Oberappellation
verzichte. Der Vater, oft nicht wissend, woher er die Nahrung für die
Familie nehmen sollte - wir aßen damals wohlfeiles aus Saubohnenmehl gebacke-
nes schwerverdauliches Soldatenbrot - ging schweren Herzens auf das schmähliche
Anerbieten ein.
Welch tiefen Groll die Minister gegen die nach der Revolution tätigen Mitglieder
des von gerechten und humanen Anschauungen geleiteten obersten Gerichtshofes
hegten, zeigt eine spätere Tatsache: als wir Rechtskandidaten im Jahre 1854
uns dem Justizminister Friedrich Frh. v. Wechmar [1801-1869], einem norddeutschen
dem Hofe sehr nahstehenden Junker, vorstellten, sprach er mit jedem einige
Worte, nur an meinem Freunde Haaß ging er achtlos vorüber. Dies bestürzte
Haaß, später Landgerichtspräsident in Freiburg, derart, daß er das sonderbare
Benehmen seinem Vater, dem Vizekanzler des Oberhofgerichts in Mannheim erzählte
. Der gab ihm Aufklärung mit den Worten: „Die Herren in Karlsruhe sind
wütend, daß wir nicht alle wegen Hochverrats Angeklagte verurteilt haben, und
das lassen sie sogar den Sohn fühlen".
Nach dem Einzug der Preußen ernannte die Regierung den Amtmann Johann
Rieder zum Bürgermeister von Freiburg. Dieser erhielt vom Großherzog Leopold
den telegrafischen Befehl, das Denkmal des Universitätsprofessors Karl von Rotteck
auf dem Franziskanerplatze, welches dem berühmten Volksmann aus gesam-
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