Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
101.1982
Seite: 75
(PDF, 45 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1982/0077
schon im Mittelalter vollzogen hatte, fand auch die Prozeßkontrolle an höherer
Stelle allmählich nördlich der Alpen Eingang, zumal sich diese zunehmend als
Instrument einer territorialen Strukturierung bewährte. Es sind also zwei Kräfte,
die der Appellation Eingang verschafften: einerseits ein gewandeltes politisches
Organisationsdenken, andererseits ein von einem sich ausbreitenden Juristenstand
getragenes Ordnungsdenken, das seine Maßstäblichkeit aus der oberitalienischen
Rechtsrationalität bezog. Meist war es zunächst nur die rechtsgeschäftliche oder
prozessuale Form, die vermittelt wurde und an die sich sachliche Anpassungen
dann erst anschlössen. Diese Bedeutung der Formulierung ließ jenen Stand zum
Träger einer neuen Begrifflichkeit werden, dem der Umgang mit Urkunden,
Büchern und Akten beruflich anvertraut war, den Schreiber- und Notarstand.
Man wird daher die Rolle, die das Notariat bei der Rezeption des Appellationsverfahrens
spielte, nicht gering veranschlagen dürfen. Wo es darum ging, sich
über die Art und Weise einer Berufungseinlegung zu informieren, wird man zunächst
die Auskunft des formerfahrenen Notars eingeholt haben, der dann aus
seinem Formularbuch ein Appellationsinstrument anzubieten hatte. Dies war vor
allem dann der Fall, wenn das zu rügende Gericht mit den Appellationsformalien
noch gar nicht vertraut war, so daß eine außergerichtliche Erklärung der Appellation
sich anbot. Man wird daher nicht fehl gehen, wenn man für die Anfänge der
Appellation den Weg zum Notar nachgeht und dabei seine Aufmerksamkeit den
geistlichen Mittelpunkten zuwendet, wo sich das Notariatswesen konzentrierte.

Macht man mit dem Überlinger Fall die Probe aufs Exempel, so ist zunächst
festzustellen, daß die Reichsstadt in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts eine
angesehene und von weit her besuchte Lateinschule hatte, die vom Notar Jürg
Schwigger geleitet wurde.35 Damit soll zunächst nur gesagt sein, daß hier von
vornherein eine gewisse Bereitschaft für die Begriffswelt des römisch-kanonischen
Rechts vorausgesetzt werden darf. Auch das Stadtschreiberamt war zu dieser Zeit
in fachkundigen Händen. Daß Conrad Glarner juristisch versiert sein mußte,
wurde bereits erwähnt. Von seinem Nachfolger Johannes Necker hat das erst
recht zu gelten. Necker hatte zu Paris studiert und war praktizierender päpstlicher
und kaiserlicher Notar.36 Bei beiden Stadtschreibern wird man annehmen
können, daß sie gutgläubig die „appellatio" der mittelalterlichen Rechtssprache
entsprechend ihrem Begriffshorizont und ihrer Standeskunst im Sinne einer
Appellation des gemeinrechtlichen Prozesses verstanden.

Das Überlingen nahe gelegene geistliche Zentrum war Konstanz, dessen Kurie
der eigentliche berufliche Sammelpunkt für die Notare war. In der Bischofsstadt
war es ein Leichtes, über Prozeßgänge Rat zu holen und sich mit den erforderlichen
Formalien ausstatten zu lassen. Daß aber von dieser Seite jede Art einer
Berufung als Appellation des römisch-kanonischen Prozeßrechts gedeutet wurde,
versteht sich fast von selbst. Ein Verfahren, das nicht durch stetige Übung seine
hergebrachte Struktur bewahrte, mußte mit einer gewissen Zwangsläufigkeit in
die Amtsstube eines Notars führen, unter dessen Schreiberhand es die Gestalt
einer Appellation annahm. So auch im Fall der Überlinger Appellation vom
Jahre 1466 an den Freiburger Rat, wobei noch besonders ins Gewicht fällt, daß
die eine Appellantin zu Konstanz ansässig war.

75


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1982/0077