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Möglichkeit der Appellation nach Freiburg als eine Diensterweisung verstanden
zu haben, die den Bürgern in jedem Fall eine neutrale Instanz außerhalb der
Reichsstadt garantieren wollte.
Der Zusammenhang mit dem Austrägalgedanke zeigt sich auch an der Weiterentwicklung
des Appellationsprivilegs, das 1530 durch Karl V. in neuer und anderer
Form erteilt wird. Das neue Privileg gestattete:
das ein ieglicher burger oder burgerin zu Uberlingen, so von ainer urthail von dem oberstatge-
richt daselbst ergangen, appeliert, dieselb appelacion, nachdem er ain gelerten aid geschworen,
das diselb appelacion nit von gfar noch verzug, allain aus notturft gethon haben, nach den recht
und Statuten der stat Freiburg im Preißgew, oder der stet Rotweil und Ravenspurg, die ein er
samber rat zu Uberlingen ainem jederzeit anzaigen und benennen wirdt, volziehen, und alles
das, so von dem rat zu Freiburg, Rotweil und Ravenspurg mit urtail erkennt und zu recht ge
sprochen würd, das dasselb stät und ungewaigert von baiden partheien gehalten werden, und
wann der appelant verlustig würde, gemainer statt Uberlingen zehen phunt phening für büß ab
zutragen verfallen sein, und in die statt Uberlingen nit mer komen soll, die seien dann zuvor be
zalt worden.61
Daß nunmehr von einer echten Appellation die Rede ist, bedarf keiner weiteren
Ausführungen. Freiburg ist aber nicht mehr alleinige Appellationsinstanz, sondern
nach dem Muster der Privilegien für Kollisionsfälle sind jetzt auch die Räte
von Rottweil — nicht das Hofgericht, von welchem Überlingen eximiert ist —
und Ravensburg als Berufungsstellen vorgesehen.
Ob das örtlich erweiterte Appellationsangebot je in Anspruch genommen wurde,
ist ungewiß. Die Alternativen wurden jedenfalls den Appellanten bekanntgemacht
, und diese hatten die Auswahl zu treffen. So heißt es 1604 in einer Erklärung
des Konvents der Überlinger Minderbrüder, man habe gegen ein Urteil des
Oberstadtgerichts ,,viva voce in fuoßstapfen für und an der statt Überlingen ge-
freyte statt eine, als Rottweil, Ravensburg oder Freyburg im Breißgow appellirt
und hiernach ernvesten, fürsichtigen und wißen hern burgermaister und rath er-
melter statt Freyburg im Breißgow zuo irem appellationsrichter bey der canzley
allhie zuo Uberlingen ernent und angeben."62
Es hat allerdings den Anschein, als habe auch nach 1530 Freiburg seine Vorzugsstellung
weiterhin behalten. Nach dem um 1555 erstatteten Bericht der von
Kaiser Karl eingesetzten sog. Hasischen Kommission habe man bisher „nach
gelegenhait der Sachen und partheien geen Freiburg oder an das kaiserlich camer-
gericht, an welchen baiden orten es entlich bleiben möß, appelliert."63 Die
Kommission ordnete an, daß der Instanzenweg vom Stadtgericht zum Rat künftig
strikt einzuhalten sei und daß dann die Parteien ,,nach gelegenhait der partheien
und sachen, wie sollichs bi inen herkomen, geen Freiburg oder an das kaiserlich
camergericht zö appelliern macht haben.4 £ 64 Die ausschließliche Erwähnung
Freiburgs scheint darauf hin zu deuten, daß die Appellationen nach wie vor
regelmäßig an den Freiburger Rat gingen.
Es bleibt noch die Frage, welche rechtliche Bedeutung dem Privileg von 1530
vor allem im Verhältnis zum Reichskammergericht zukam. Zunächst blieb den
Überlinger Bürgern in all jenen Fällen eine Appellationsinstanz, in denen die
Appellationssumme an die Reichsgerichte nicht erreicht wurde. Diese Beschwerdesumme
betrug 1521 50 Gulden, 1570 150 Gulden, sie stieg 1600 auf 300 und 1654
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