http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1982/0130
Als sich des andern Tags die Thalbewohner von den Schrecknissen der Nacht erholten
und ihre Blicke nach der Burg richteten, sahen sie weder Thürme noch Zinnen mehr, sondern
bloß schwarze Mauerblöcke, aus welchen bisweilen noch bläuliche Flammen mit
Schwefeldampf emporschlugen. Auf dem Felde des alten Kaspar hingegen fanden sie an
der Stelle, wo der schöne Kirschbaum gestanden hatte, eine tiefe schwarze Grube und daneben
Spuren von Rädern und Pferdehufen, Sie besprengten deßhalb die Stätte mit ge
weihtem Wasser und ließen ein steinernes Kreuz dahin setzen. Der alte Kaspar mit seiner
Familie war jetzt natürlich seiner Leibeigenschaft los geworden und Gundchen blieb so
lange zu Hause, bis ein wackerer junger Nachbar sie als seine Hausfrau heimführte. Noch
heute sind die Reste des uralten Kreuzes und die Trümmer der Burg übrig, aber nur am
Tage wagt man sich in ihre Nähe; denn wenn man Abends oder gar in der Nacht vom
Glotterthale heraufkommt und den näheren Weg einschlagen will, sieht man, namentlich
an hohen Festtagen, den großen Baum mit den feuersprühenden Kirschen mitten über dem
Gemäuer des Schlosses,
Wir haben hier der von Heinrich Schreiber stammenden Fassung40 der Sage
den Vorzug gegeben gegenüber Bernhard Baader, der eine kürzere Variante bietet
.41 Jene ist lange nicht so dramatisch und hat auch weniger Ansatzpunkte für
die geschichtliche Wahrheitsfindung. Franz Hummel42 hat sodann von der
Schreiberschen Darstellung eine Kurzform hergestellt und ihr einen Nachsatz angefügt
, der die Sage zu einer Legitimationssage werden läßt. Während nach
Schreiber der böse Ritter mit Mann und Maus untergeht, bekehrt er sich in der
von Baader gegebenen Darstellung.
Die Bekehrungssage beginnt wie die andere, nur wird darin die Heimat der
Bauersleute, wohl weil der Ort der Handlung bei der Fassung des Sagentextes
nicht mehr bestand, auf einen anderen, den Wahlhof im Wegelbachtal, verlegt.
Max Rieple43 macht aus dem Wahl- einen Waldhof, wodurch der geschichtliche
Standort noch mehr verwischt wird. Nach Baader kam dem armen Bauern ein
altes Männlein zu Hilfe, das den Kirschbaum geschickt umhieb und aus dem
Wald drei Kohlrappen herbeirief. Als Männlein und Bauer mit dem unversehrten
Baum am Schloß angekommen waren, fragte das Männlein den erstaunten Ritter,
ob er wisse, wer die Rappen seien. „Der erste ist Dein Vater, der zweite Dein
Großvater und der dritte Dein Urgroßvater, welche die Bedrückung ihrer Untertanen
jetzt in der Hölle büßen, und Dir geht es einst eben so, wenn Du nicht von
Deinen Sünden ablassest!" Der Ritter tat Buße und führte fortan ein gottgefälliges
Leben.
Diese Variante geht im Endergebnis völlig an der geschichtlich nachweisbaren
Wahrheit vorbei. Der feurige Kirschbaum ist frei erfunden. Da aber beim Erzählen
des Sagenstoffes die Leute nach vielen Jahren nicht mehr wußten, wie die
Schwarzenburg tatsächlich untergegangen war, dachten sie an ein Strafgericht
Gottes, das durch einen Brand das Schloß mit allem, was darin war, und nicht
zuletzt mit dem bösen Ritter, vernichtet hat.
Im Mittelpunkt der Sage steht ein Ritter, der Ritter von Schwarzenberg. Abgesehen
davon, daß unter den Inhabern von Schloß und Herrschaft Schwarzenberg
nur einer sich Ritter nannte, nämlich Sebastian von Ehingen, paßt die in der Sage
gezeichnete Figur eines Unholds und Bösewichts auf keinen anderen unter den
Schwarzenbergern besser, als auf diesen. Nachdem Hans Werner von Schwarzen-
128
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1982/0130