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auch zur Fortführung des Baues des Theobaldmünsters gewesen sein mag —,
sondern darauf, daß ein Gelübde erfüllt wurde, daß jemand Strapazen und
Kosten einer oft langen Reise auf sich nahm und dem Heiligen durch persönliches
Erscheinen am Wallfahrtsort die Ehre erwies.
Angriffe auf Leib und Leben von Wallfahrern galten als besonders verwerflich;
auch deshalb wurden Stab und Mantel des Pilgers nicht selten von Spionen und
Feinden zur Tarnung mißbraucht. In den Theobaldmirakeln wird nicht von dem
— keineswegs immer unbegründeten — Mißtrauen mancher Obrigkeit „Pilgern''
gegenüber gesprochen; wohl aber ist von einer zwölfköpfigen Gruppe die Rede,
die 1439 zu berichten wußte, sie seien unterwegs plötzlich von „offnen viend"
umzingelt gewesen. Nach dem Reiseziel gefragt, hätten sie nicht die Unwahrheit
sagen wollen, „dann sy vff sant Thieboltz vart worent". Sie riefen den Heiligen
um seinen Schirm an; „zestunt kertent jr vient sich von jnen vnn liessent sy mit
fryd vnn fruntschaft gon" (Nr. 41).
Vertrauen auf Hilfe kein Nachdenken über Schuld
Meist wird in den Mirakeln eine bestimmte Hilfe erfleht bzw. für konkrete Hilfe
Dank gesagt. Das Vertrauen in die Mächtigkeit des Schutzes konnte sich auch
mehrfach bewähren: Ein Ritter, kinderlos und daher ohne rechte Erben, verarmt;
er wird aus seinem Besitz vertrieben und sinkt in Elend ab; er gerät in Gefangenschaft
— jedesmal gewährt der vertrauensvoll angerufene Theobald bereitwillig
Hilfe (Nr. 100).
Auffällig ist, daß das vielfältige, in den Berichten aufscheinende Leid nicht mit
persönlicher Schuld des Unglücklichen erklärt wird. Nie heißt es: Dieser hatte so
und so gesündigt, nun ereilt ihn die gerechte Strafe. Über die Schuldfrage wird
nicht reflektiert. Schicksalhaft wird das Unglück hingenommen; diesen hat es gepackt
, jenen nicht. Ohne daß auf einen bestimmten Menschen abgehoben würde,
mag es etwa heißen (Nr. 120): ,,durch der sünd willen vil menschen von goetz
[Gottes] verhengnisz geploget und gepinget [gepeinigt] werden''; doch folgen auf
diese Drohung gleich Trost und Zuspruch: Gott wird dank der Verdienste der
Heiligen ,,zuo barmherczikeit geneget vnd beweget'
Rettung aus Gefangenschaft
Im Chor des Thanner Münsters werden in einem großen, vor 1470 gearbeiteten
Fenster in sechs Medaillons Wunder des hl. Theobald dargestellt, u. a. Rettung
aus Gefangenschaft, Rettung aus Seenot, Rettung aus Feuersbrunst.
In mindestens vierzehn der 216 Protokolle wird von Rettung aus dem Verlies
gedankt. Der die Festsetzung Veranlassende wird nur selten genannt — der Bischof
von Bremen begegnet ebenso wie Türken oder Straßenräuber (Nr. 47, 103,
205); doch waren die Begleitumstände der Haft in jedem Fall höchst unangenehm
, oft lebensbedrohend. Im allgemeinen wurde der Inhaftierte in einem steinernen
Gebäude (Burg, Schloß, Turm), möglichst in einem ,,tieffen gewelbten
kerker" (Nr. 47) eingesperrt, häufig durch Hand- und/oder Fußschellen in seiner
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