http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1982/0167
Gaben beteiligt, von denen einige wenige in den Mirakelberichten erwähnt werden
. Votivbilder in Wachs, Gold und Silber sind nicht erhalten. Sie wurden nach
einiger Zeit eingeschmolzen und zu Kerzen für die Beleuchtung der Kirche verarbeitet
, sie wurden ausgemünzt, um nach Bedarf Baumaterialien und die Arbeiten
am Münster bezahlen zu können. Da die Abbilder — von Menschen, Organen,
Sachen — nicht überliefert sind, können wir heute auch nicht mehr sagen, ob
und gegebenenfalls wie Künstler, die in Lübeck oder Stettin, in Flandern oder
Holstein mit der Anfertigung solcher Bilder beauftragt worden waren, auf den
Stil der Künstler im Elsaß eingewirkt haben. Fest steht jedoch, daß Gaben der
Pilger aus Nord- und Nordostdeutschland entscheidend dazu beigetragen haben,
daß das große St.-Theobalds-Münster im Spätmittelalter gebaut und noch vor Beginn
der Reformation fertiggestellt werden konnte.
Die Theobaldmirakel spiegeln die große Mobilität aller Schichten der spätmittelalterlichen
Bevölkerung; Reisen über größere Entfernungen als eine Tagesreise
sind sicher nicht selten gewesen.25 Die Mirakel bekunden die Dankbarkeit
zahlloser Menschen für Errettung aus Not; sie zeugen — wie auch die ihnen entsprechenden
Testamente Lübecker Bürger — von starken Bindungen zwischen
dem Nord- und Ostseeraum und Südwestdeutschland, Bindungen, von denen
man in beiden Räumen heute oft nicht mehr weiß, Bindungen, wie sie auch für
Historiker nicht selbstverständlich sein mögen, die Symptome des ,,Niedergangs"
der Hanse in dieser Zeit überbewerten.26 Es dürfte sich lohnen, den in den Theobaldmirakeln
sichtbar werdenden Beziehungen von Nord- und Nordostdeutschland
nach Südwestdeutschland genauer nachzugehen.
In Wallfahrten nach Jerusalem, Rom, Santiago war sich die abendländische
Christenheit ihrer Gemeinsamkeit bewußt geworden. Pilgerfahrten wie die nach
Thann lassen sich deuten als innere Klammer des spätmittelalterlichen Reiches,
als Gegengewicht zu zentrifugalen Kräften. Das weite Einzugsgebiet der Theobald
-Wallfahrt und die Aussagen der Pilger zeugen vom Bewußtsein der Zusammengehörigkeit
im Alten Reich — kurz bevor die Einheit im Glauben zerbrechen
und der Strom von Menschen aus Nord- und Nordostdeutschland nach Thann
versiegen sollte.
ANMERKUNGEN
1 Tomus Miraculorum Sancti Theobaldi. Im Originaltext hg. von G. Stoffel, 1875. Im folgenden
werden die Mirakel nach den Nummern dieser Ausgabe zitiert. Die Nr. 128 131 und 184 sind in
lateinischer, alle übrigen in deutscher Sprache aufgezeichnet.
2 Vgl. M. Barth, Zur Geschichte der Thanner St. Theobaldus Wallfahrt im Mittelalter, in: Annuaire
de la Societe d'histoire des regions Thann Guebwiller 1948 50, S. 19 82. Die Herkunftsorte der
Pilger wurden kartiert in F. J. Himly, Atlas des villes medievales d'Alsace, 1970, S. 43.
3 R. Barth, Saint Thiebaut, eveque de Gubbio, patron de Thann, et le rayonnement de son culte,
in: Thann 1161 1961. Regards sur 8 siecles d'histoire locale, 1961, S. 7 16, hier S. 14.
4 Theobald gehört nicht zu den vierzehn Nothelfern (Achatius, Aegidius, Barbara, Blasius von Se
baste, Christopherus, Cyriacus von Rom, Dionysius von Paris, Erasmus, Eustachius, Georg,
Katharina von Alexandrien, Margareta von Antiochien, Pantaleon, Vitus), die „wohl im 14. Jahr
165
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1982/0167