http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1983/0060
Während die Römer Blei suchten und das bei der Herstellung von Mennige anfallende
Silber als Nebenprodukt betrachteten, kehrten sich jetzt die Verhältnisse vollständig
um, man trieb jetzt Bergbau, um das Silber zu gewinnen. Blei wurde ein in
großen Mengen anfallendes, zeitweise nicht oder schwerverkäufliches Koppelprodukt
. Bei jedem chemischen Verfahren aber, das zwei Endprodukte liefert, bestimmt
der für das Nebenprodukt erzielbare Preis die Gestehungskosten für das
Hauptprodukt. Der Silberpreis mußte also zunächst die gesamten Kosten einspielen,
später wurde die Verhüttung umso lohnender, je besser sich das anfallende Blei verkaufen
ließ. Immerhin mußte man, um 1 kg Silber zu gewinnen, bis zu 1000 kg Blei
produzieren, und nur in dem Maße, in dem sich die als Zwischenprodukte anfallenden
Bleioxide absetzen ließen, konnte man den Bleipreis etwas steuern.
Nun gilt aber ganz allgemein, daß geringe Produktionsmengen irgendeines Gutes
hohe Produktionskosten zur Folge haben, während Produktionswachstum zu sinkenden
Preisen führt. Je mehr Blei und Bleioxide zunächst angeboten wurden, desto
billiger wurden sie. Dies setzte sich weiter in die Glasfensterproduktion fort, deren
Herstellungskosten sanken, was ihnen ihrerseits einen breiteren Markt eröffnete,
kurz, die Glasfenster wurden jetzt auch für weniger vermögende Bürger erschwinglich
.* Die Ausweitung der Erzproduktion führte zu einer Erhöhung der Renditen im
Bergbau und löste damit kräftige Investitionen aus, die sich an dem technikgeschichtlich
allgemein festgestellten Fortschritt der Gruben- und Fördertechnik ablesen
lassen.1,8'10 Nicht nur die Kapitalgeber — zunächst Einzelpersonen, später in immer
steigendem Maße Gesellschaften — wurden vermögend, auch die Grundherren
(Dynasten, Städte, Klöster) verzeichneten durch den Besitz von Münzrechten
(Münzgewinn) und die Vergabe von Schürfrechten ein beachtliches Ansteigen ihrer
Einkünfte. Während des ganzen 12. und 13. Jhds. scheint diese gute wirtschaftliche
Situation angehalten zu haben, wie das auch der fortschreitende Bau des Münsters
zeigt. Sein Langhaus und sein Turm wurden um 1330 vollendet.17 Bevor diese Betrachtungen
schließen, seien nocheinmal die Produktionsabläufe in den Hütten dargestellt
, die man in berggeschichtlicher Literatur nicht findet:
1. Gewinnung von Reinerz aus Roherz
Durch verschiedene Verfahren (Krücken-, Siebwäscherei, Erzklauben von Hand
und Pochen mit Wasserkraft) trennt man das Roherz von der Gangart. Zum Teil
wird es in dieser Form gehandelt.
2. Gewinnung von Rohblei (Verhüttung)
a. Oxidation im Rennofen mit Luftüberschuß zu Oxiden. Abgabe des Schwefeldioxids
in die Umgebung. Betrieb der Blasebälge mit Wasserkraft.
b. Reduzieren der Oxide im nachgeschalteten Prozeß mit Kohleüberschuß (Luftmangel
) zu metallischem Rohblei und Gichtgas.
3. Gewinnung von Silber und Bleioxiden
a. Anreichern des Silbers 1: 100 durch das Seigern mit Zink zu Reichblei.
b. Oxidation mit Luft (Treiben) des Bleis zu den Endprodukten: Bleiglätte (Lith-
argyrum), Mennige (Minium) und Silber.
* Anm. Der Autor vertritt die Auffassung, daß die gotischen, mit Butzenscheiben versehenen Ziererker
der Bürgerhäuser im Anfang den Charakter eines Statussymbols besaßen, bis sie später echtes Stil
element wurden.
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