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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
102.1983
Seite: 97
(PDF, 33 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1983/0099
Viertel der Freiburger Bevölkerung, also 20 bis 25 000 Menschen unter den direkten
Folgen der Erwerbslosigkeit.

Wie groß die Verzweiflung unter den Arbeitslosen war, verdeutlicht ein anonymer
Brief eines Arbeitslosen an den Freiburger Oberbürgermeister vom August 1930,
also noch vor dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise. Darin heißt es unter anderem
: ,,Wenn man 2 Jahre schon, nur auf das Gnadenbrot der Arbeitslosenfürsorge
angewiesen ist, kommen einem so allerhand himlische Gedanken, daß es doch dort
unten auf unserm schönen Friedhof friedlicher und ruhieger sich leben läßt. Dies
uns zu ermöglichen möchte ich den Herrn Bürgermeister bitten, eine Gaszelle errichten
zu lassen wo jeder müde Arbeitslose sich mit seiner Famiele den Freitod unentgeltlich
holen kann."9

Es überrascht bei dieser großen Verzweiflung deshalb nicht, daß auch die Zahl der
Selbstmorde in Freiburg während der Krise deutlich anstieg. Im Durchschnitt verübten
zwischen 1926 und 1929 jährlich 17 Freiburger Selbstmord, 1930 bis 1933 dagegen
jährlich 27, eine Steigerung also um über 50 %.10

Aber nicht nur die Arbeitslosen litten unter der Krise, sondern auch diejenigen,
die noch in Arbeit standen. So wurde in vielen Betrieben Kurzarbeit eingeführt und
die Löhne deutlich reduziert. Dafür nur ein Beispiel: Der ortsübliche Lohn für einen
männlichen Tagearbeiter sank von 5,40 RM pro Tag am 1. Januar 1930 auf 4,00 RM
am 1. Januar 1933, ein Rückgang um über ein Viertel. Gleichzeitig gingen zwar die
durchschnittlichen Lebenshaltungskosten in Freiburg um über ein Fünftel zurück,
da aber der Monatslohn durch die geringe Arbeitszeit noch sehr viel stärker als der
Stunden- oder Tagelohn zurückging, gerieten auch Familien, deren Ernährer noch
nicht arbeitslos war, in immer größere Not. Das gleiche gilt im übrigen auch für die
zahlreichen Beamten in der Stadt. Sie mußten zwischen 1930 und 1933 mehrere Gehaltskürzungen
um insgesamt etwa 15 bis 20 % hinnehmen, und dies bei Gehältern,
die in keiner Weise mit heute vergleichbar sind. So verdiente z. B. ein Hauptlehrer
vor den Gehaltskürzungen je nach Altersstufe zwischen 230 und 410 RM im Monat.
Selbst wenn man die erheblich geringeren Lebenshaltungskosten berücksichtigt, lebten
viele Familien in sehr schlechten Verhältnissen.

Auch Handwerk und Einzelhandel beklagten die Not. So verschärfte sich z. B. im
Einzelhandel die Konkurrenz erheblich, da viele Arbeitslose versuchten, sich durch
Eröffnung eines kleinen Ladens eine neue Existenz zu schaffen. Die Zahl der Einzelhandelsgeschäfte
nahm infolgedessen auch zwischen 1925 und 1933 um fast ein
Viertel zu, obwohl die Kaufkraft im gleichen Zeitraum — wenn überhaupt — nur
unwesentlich gestiegen war. Ein Großteil der Freiburger Lebensmittelhändler unterstützte
deshalb, aus Angst vor der Konkurrenz von zumeist jüdischen Warenhäusern
und den gewerkschaftlich bzw. sozialdemokratisch geführten Konsumvereinen,
zunehmend die Nationalsozialisten. Der Kreisleiter des ,,Kampfbundes des gewerblichen
Mittelstandes" in Freiburg, ein Kolonialwarenhändler, behauptete Mitte
März 1933 sogar, daß die Lebensmittelhändler ,,nicht nur am Gängelband der
Nationalsozialisten" seien, ,,nein, mit Ausnahme des sozialdemokratischen Horchpostens
sind sie alle Nationalsozialisten."11

Das Handwerk sah eine ernstliche Gefahr in der zunehmenden Schwarzarbeit.
Gefordert wurden von Seiten des Handwerks schon 1930 Arbeitsbeschaffungsmaß-

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