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denden Anteil daran, daß die erste NSDAP-Ortsgruppe im Kaiserstuhl, die erste SS
und SA in Ihringen entstand, hatte der spätere Ortsgruppenleiter Hauptlehrer
L . . ., der von Steinen in den zwanziger Jahren nach Ihringen versetzt worden war.
„Der rastlosen, opferfreudigen Arbeit des Herrn L . . ., der unbeirrt durch die ihm
von Juden und anderen charakterlosen Subjekten vom Schlage des Weinreisenden
W . . . K . . ., am laufenden Bande an den Hals gehängten Disziplinarverfahren,
Geldstrafen und sonstigen Maßregelungen, nur weil er für ein besseres Deutschland
kämpfte, seinen Weg ging, ist es zu danken, daß nicht nur Ihringen, sondern der
ganze Kaiserstuhl schon frühzeitig sich zu Adolf Hitler bekannte."14
Auch in Freiburg konnte die NSDAP nach ihrer Wiedergründung am 1. April
1925 nur durch das Engagement der wenigen Mitglieder am Leben erhalten werden.
So versetzte der erste Freiburger Ortsgruppenleiter der NSDAP, F . . . T . . .,
Wäsche, Uhr und Anzug auf dem Pfandhaus, um die Festhalle für eine Rede von
Gregor Strasser zur Gründung der Ortsgruppe zu mieten. Da die Versammlung gut
besucht war — vor allem von politischen Gegnern — nahm die NSDAP mehrere
hundert Mark an Eintrittsgeldern ein, mit denen die Stücke aus dem Pfandhaus wieder
ausgelöst wurden.15 Das Lieblingsthema von T . . . auf Treffen von alten
Kämpfern" war deshalb auch die „Entwicklung der Bewegung".16
Den großen Durchbruch der NSDAP zur Massenpartei im Reich, in Baden wie in
Freiburg brachte jedoch erst die vorgezogene Reichstagswahl vom 14. September
1930. Der seit Frühjahr 1930 ohne parlamentarische Bindung regierende Zentrumspolitiker
Brüning, der sich praktisch nur auf das Vertrauen des Reichspräsidenten
Hindenburg und auf eine in dieser Form sehr umstrittene Auslegung des Notverordnungsparagraphen
48 der Weimarer Reichsverfassung stützte, löste im Sommer
1930 den Reichstag vorzeitig auf, um eine ihm zugeneigte Reichstagsmehrheit zu bekommen
.
Obwohl alle vorangegangenen Landtagswahlen auf ein starkes Anwachsen der
nationalsozialistischen Stimmenzahl hinwiesen, kam die Höhe des Erfolges doch
überraschend. Im Deutschen Reich stieg die NSDAP hinter der SPD und in Baden
hinter dem Zentrum zur zweitstärksten Partei auf.
Zwar blieb die NSDAP in der Stadt Freiburg deutlich unter dem Reichs- und Landesdurchschnitt
und wurde hinter Zentrum und SPD nur zur drittstärksten Partei;
aber immerhin schon über 7 000 Freiburger gaben dieser Partei ihre Stimme. Im
Amtsbezirk Freiburg sah das Ergebnis für die Nationalsozialisten noch günstiger
aus. Hier errangen sie in einigen Gemeinden auf Anhieb die absolute Mehrheit:
Während dies in Ihringen nach dem Landtagswahlergebnis nicht mehr sonderlich
überraschte, war der Aufstieg in Bickensohl (68%), Mengen (68%), Tiengen
(56,7 %) und Wolfenweiler (51,4 %) doch fast sensationell. In allen diesen Gemeinden
herrschte eindeutig die Landwirtschaft vor, und die meisten Dorfbewohner bekannten
sich zum Protestantismus.
Hier taucht nun die Frage auf, woher diese NSDAP-Wähler stammten. Da es zu
dieser Zeit noch keine Umfragen gab, mit deren Hilfe man mehr oder minder genau
die Wählerwanderungen bestimmen kann, ist man auf plausible Hypothesen angewiesen
. Betrachtet man das Wahlergebnis von 1930 in Stadt- und Amtsbezirk Freiburg
, so fällt zuerst die um über 10% gestiegene Wahlbeteiligung auf. Dies führte
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