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einmalige Flugblattverteilung beschränkt werden.4 *25 In den meisten Gemeinden des
Amtsbezirks kam es nicht einmal zu solchen Aktivitäten. In 33 der 60 Gemeinden erhielt
die SPD weniger als 10 Stimmen, in sieben Gemeinden nicht einmal eine einzige
Stimme.
Die Novemberwahlen des Jahres 1932, die notwendig geworden waren, nachdem
90 °7o der Reichstagsmitglieder dem Reichskanzler von Papen ihr Mißtrauen ausgesprochen
hatten, brachten der NSDAP herbe Verluste in Stadt und Amtsbezirk Freiburg
. Diese lagen mit über 7 °/o deutlich über dem Rückgang von Baden mit nur
knapp 3 °7o.
Trotzdem brachte auch diese Wahl keine Stabilisierung oder Beruhigung der politischen
Verhältnisse. In einem Kommentar am Tage der Wahl wurden die Wähler in
der Freiburger Zeitung mit Heringsschwärmen verglichen, die in einer „Art Mas-
senpsychologie"(!) ins Netz gehen. „Wäre es anders möglich, daß sonst voraussichtlich
wiederum die Mehrheit unseres Volkes für seine restlose Versklavung unter
die Willkür winziger und obendrein von ausländischen Vorbildern beeinflußten Cliquen
stimmen würde?"26 Damit distanzierte sich der Kommentator Heiland eindeutig
von NSDAP und KPD bzw. ihren italienischen und russischen Vorbildern.
Gewinner der Wahl waren die bürgerlichen Rechtsparteien DNVP und DVP, die
die Regierungspolitik von Papens stützten sowie die KPD. DNVP und DVP nahmen
um fast 80% zu, in ganz Baden nur um etwa 40%. Besonders hoch waren die Gewinne
in Teilen der Wiehre und in der Gegend um die Maximilianstraße; Gegenden,
in denen sehr viele pensionierte Beamte, aber auch Professoren, Kaufleute und Privatiers
lebten, gehobener Mittelstand und Oberschicht also. Hier verlor die NSDAP
überdurchschnittlich und die DNVP bekam häufig um 20 °/o der Stimmen. Teilweise
überflügelte sie sogar die NSDAP. Das konservativ-autoritäre Regierungsprogramm
von Papens, das in vielen Zügen die Rückkehr zu den Verhältnissen im Kaiserreich
zu versprechen schien, kam in diesen Kreisen gut an. Um den hohen Stellenwert
, den das Kaiserreich in Freiburg immer noch genoß, zu verdeutlichen, seien
zwei kleine Beispiele erwähnt:
Bei einem Besuch des Prinzen August-Wilhelm von Preußen, der als Prinz Auwi für
die Nationalsozialisten Propaganda machte, erschienen 1932 auch in Freiburg viele
pensionierte Offiziere in ihrer alten Uniform und Pickelhaube.
Schon 1929 beklagte der 1933 als Direktor des Rotteckgymnasiums entfernte Sozialdemokrat
Kunzenmüller in einem Bericht über die Reichsgründungsfeier der Universität
: „Aber freilich — es wird schwer, nicht bitter zu werden —: Ein freudiges
BEKENNTNIS zum NEUEN STAAT, zur Republik ist von den Kathedern unserer
Universitäten eine Seltenheit, wenn nicht eine Chimäre. In Freiburg habe ich noch
keines erlebt . . . Das Wort »REPUBLIK4 muß für akademische Zungen schwerer
auszusprechen sein als es einst »KAISER' und »MAJESTÄT4 gewesen waren.4 4 27
Die Reichstagswahlen stellten für die Freiburger Nationalsozialisten, wie sie selbst
schrieben, eine Enttäuschung dar. Gleichzeitig betonten sie aber, froh zu sein, „die
Mitläufer des feigen Spießbürgertums44, die „alten Tanten beiderlei Geschlechts44
losgeworden zu sein; „diese Tatsache kann der Schlagkraft unserer Bewegung bestimmt
nicht schaden.4 4 28 Auch von Neustadt berichtete der Alemanne von einigen
„feinen Leuten44, denen es bei der NSDAP zu sehr nach Volk rieche,, und die des-
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