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lieh. Hier verfügten die bürgerlichen Mittelparteien 1928 über fast 40 °/c der Stimmen
und 1930 noch über fast 30 %. 1933 waren es dagegen gerade noch 6 %. Zentrum
und DNVP konnten trotz stark gestiegener Wahlbeteiligung ihren Anteil halten
, die KPD sogar leicht verbessern. Die SPD mußte in diesem Gebiet, in dem sie
wohl überwiegend von kleinen Beamten und Angestellten gewählt worden war,
überdurchschnittliche Einbußen hinnehmen, die durch die unterdurchschnittlichen
Gewinne der KPD nicht wettgemacht wurden.
Bei dieser Wahl konnte die NSDAP zwar nicht die angestrebte absolute Mehrheit
erringen, aber zusammen mit dem Koalitionspartner DNVP kam sie auf knapp über
50%. Mit diesem Sieg und der am Tag darauf ohne Widerstand erfolgten Hissung
der Hakenkreuzfahne auf dem Rathaus34 begann auch in Freiburg die Gleichschaltung
und damit das Dritte Reich.
Aber schon vor den Wahlen am 5. März 1933 hatte sich das politische Klima in
Freiburg grundlegend geändert, obwohl die führenden politischen Stellen in Stadt
und Land durch den Machtantritt Hitlers in Berlin noch kaum berührt wurden.
Nach dem 30. Januar 1933 führte beispielsweise die Freiburger Zeitung eine Diskussions
-Ecke ein, in der „Meinungen zur Zeit und Lage** außerhalb der Verantwortung
der Schriftleitung erschienen. Am 5. Februar veröffentlichte sie einen ganzseitigen
Beitrag unter dem Titel „Quo vadis Germania? Der Aufbruch der Nation. Nach
dem Hakenkreuz der Sowjetstern?**, in dem sich der Autor sehr kritisch und ablehnend
zu der Regierungsbildung äußerte. ,,Was ist denn eigentlich geschehen, was die
Nationalsozialisten zu solch großen Tönen berechtigte? Sie kamen doch in die Regierung
, wie der Hund zum Tritt, als sie es am wenigsten erwarteten. Denn schon
überall krachte es ganz bedenklich im Parteigefüge und finanziell stand man vor der
Pleite.** Der 30. Januar wurde als einer der dunkelsten Tage in der deutschen Geschichte
bezeichnet, da Hitler vor allem mit seinen konservativen Koalitionspartnern
, deren Einfluß maßlos überschätzt wurde, die gegenwärtige Krise nicht lösen
könne, und danach der Kommunismus unabwendbar sei. ,,. . . und so führt alles
immer rascher zu Gewalttaten, proletarischen Revolutionen, zum Kommunismus
und letzten Endes zum Zerfall des Reiches hin. Das ist die traurige politische Prognose
der deutschen Politik für das Jahr 1933."35 Nach diesem Artikel wurde die
Freiburger Zeitung sowohl vom Alemannen als auch von der Breisgauer Zeitung
massiv angegriffen, woraufhin sie kleinlaut und eingeschüchtert die Diskussions-
Ecke als fehlgeschlagenes Experiment wieder einstellte. Dennoch sah die Freiburger
Zeitung weiterhin fälschlicherweise die zentrale Frage dieser Wochen in der Entscheidung
zwischen der marxistischen und der nationalen deutschen Weltanschauung
, wie sie in einem Kommentar vor der Wahl betonte. Allerdings hieß es dort auch
schon, daß die nationale Regierung verlangen könne und müsse, daß ihr Erfolg
,,von niemand erschwert oder gar hintertrieben, vielmehr von jedermann gewollt
und miterstrebt werde.**36 Damit setzte schon zu diesem Zeitpunkt der vergebliche
Versuch der Freiburger Zeitung ein, sich durch Anpassung an die offenbar unaufhaltsame
nationale Revolution das Überleben zu sichern.
Besonders intensiv bemühte sich die NSDAP schon vor den Wahlen um die Beamten
und vor allem um die Polizei, die im größten Teil Badens aufgrund der 50 km
breiten, vom Versailler Vertrag vorgeschriebenen entmilitarisierten Zone das einzige
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