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diesen Wochen kommunale, staatliche und Parteidienststellen überschwemmten.
Schon Ende April wandte sich deshalb die städtische Pressestelle in einer Pressenotiz
gegen die sich häufenden anonymen Schreiben.60 Die Kampfmethoden der Nationalsozialisten
gegen die vermeintlichen oder tatsächlichen Vertreter des alten
„Systems44 förderten allerdings die Denunziationen.
Aber nicht nur die Nationalsozialisten, sondern auch die Deutschnationalen
sahen nun ihre Stunde gekommen. Neben Angriffen auf das alte System,61 widmete
sich die Breisgauer Zeitung vor allem der Wiederbelebung ,,alter Ideale". So forderte
sie schon am 22. März eine Schlageterstraße62 und begrüßte Mitte April die
Wiederaufstellung des eisernen Baums aus dem Ersten Weltkrieg am Schwabentor.
Bedauert wurde allerdings die Heimlichkeit des Vorgangs.63 Besonders am Herzen
lag den Deutschnationalen eine wehrfähige und wehrwillige Jugend. Bedroht sahen
sie dieses Anliegen durch einen Artikel in der Sonntagsbeilage der ,,wehrfeindlichen
" Freiburger Zeitung, in dem sich ein Autor unter dem Titel ,,Wege zur
Menschlichkeit" vor allem gegen Tierquälerei aussprach. Dabei warnte er vor dem
gedankenlosen Verschenken von Spielzeugwaffen. ,,Der Nachahmungstrieb . . .
drängt den spielenden Knaben rasch, seinem Vergnügen lebende Ziele zu setzen; erst
ist es ein Spatz, dann aber schon eine Katze oder ein Singvogel, die die Opfer dieser
Erziehung zur „Männlichkeit" werden. Bald ist das Töten Sport, nicht selten Leidenschaft
! Leidenschaft und Verrohung aber sind keine männlichen Tugenden."64
Dererlei Gedanken waren für die konservativen Deutschnationalen ein Angriff
auf die Wehrerziehung der Jugend. ,,Das Ganze ist eine üble Stimmungsmache für
den knochenerweichenden internationalen Pazifismus, für den in Deutschland jetzt
kein Platz mehr ist. Wir WOLLEN, daß die deutsche Jugend wieder mit Waffen
umgehen lernt und das Vertrauen auf die eigene Kraft schon bei jedem Sextaner geweckt
wird."65 Damit unterschieden sich die Deutschnationalen überhaupt nicht
von den wehrpolitischen Vorstellungen der Nationalsozialisten. Diese Identität der
Ziele in vielen Bereichen ermöglichte vor allem — neben Terror und Einschüchterung
— das relativ reibungslose Hinübergleiten breiter Bevölkerungsschichten von
der Weimarer Republik ins Dritte Reich. Das Verbot und die Verfolgung der KPD
wurde mit Ausnahme der SPD von allen Parteien begrüßt. Die Ausschaltung der
SPD und das Verschwinden der kleineren bürgerlichen Mittelparteien erregte die
Gemüter kaum noch, und das Ende von DNVP und Zentrum erschien dann vielen
als logische Konsequenz der im Januar eingeleiteten Entwicklung.
Wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung hatte auch in Freiburg die nationalsozialistische
Pressepolitik. Anfang 1933 gab es hier fünf Tageszeitungen, deren
größte, die der DVP nahestehende Freiburger Zeitung, eine Morgen- und eine
Abendausgabe herausbrachte. Daneben erschien die sozialdemokratische Volks-
wacht, die deutschnationale Breisgauer Zeitung, die zentrumsnahe Freiburger
Tagespost und seit Ende 1931 der nationalsozialistische Alemanne. Bis Ende 1931
existierte sogar noch eine Zeitung der DDP, der Oberrheinische Beobachter, der
aber an innerparteilichen Problemen und der Wirtschaftskrise scheiterte.66
Auch der Alemanne hatte anfänglich schwer zu kämpfen. Der erste Schriftleiter
mußte schon nach einem Monat gehen. Sein Nachfolger wurde der spätere Oberbürgermeister
Kerber, der in seinem Heimatort Endingen zusammen mit dem späteren
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