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sprechen Ihnen infolge Ihrer laut rassengesetzlicher Gegebenheiten andersgearteten
seelischen Struktur Recht und Fähigkeit auf und für diesen Posten ab.*478
Auch Deutsche, die sich für Juden einsetzten, wurden angegriffen. Am 12. April
meldete die Freiburger Zeitung, daß die Privatdozenten Dr. Krause und Dr. Baumann
im Namen der Assistenten der Klinik in Karlsruhe ihr Vertrauen zu dem jüdischen
Leiter der medizinischen Universitätsklinik Professor Thannhauser zum Ausdruck
gebracht hätten.79 Einen Tag später nahm ,,eine Stimme aus den Kreisen des
Dienstpersonals*4 an den Kliniken zu diesem Vorfall im Alemannen Stellung. „Es ist
geradezu merkwürdig, daß zwei Assistenten, dazu noch solche, die ECHTE DEUTSCHE
sein wollen, eine Lanze beim Minister für Kultus und Unterricht FÜR
EINEN JUDEN brechen wollen. Hatten diese beiden Herren das Gemeinwohl im
Auge — wir glauben nicht, denn Juden hatten immer nur ihre Vorteile und Günstlinge
zu solchen Zwecken zu gebrauchen gewußt. * *80 Unter diesen Umständen ist der
Mut der beiden Assistenzärzte umso höher zu bewerten, zumal sich ansonsten an der
Universität niemand öffentlich für die von Berufsverbot bedrohten jüdischen Professoren
und Assistenten einsetzte.81
Die Studenten taten sich bei antisemitischen Aktionen besonders hervor. So sammelten
sich beispielsweise Ende Juni 1933 mehrere hundert Studenten vor dem Haus
einer jüdischen Verbindung, die, nachdem das Haus schon einmal von der SA
wegen des „Verdachts antinationalsozialistischer Umtriebe** besetzt worden war,
ihr Verbindungsleben wieder aufnehmen wollte. Die Studenten forderten die Schließung
des Hauses und die Festnahme seiner Bewohner. Daraufhin nahm die SS sechs
jüdische Studenten in Schutzhaft, die SA legte eine Wache in das Haus und hißte die
Hakenkreuzfahne. Schließlich wurde das Haus von der Polizei geschlossen.82 Ein
großer Teil der Studenten setzte damit — jetzt allerdings mit staatlicher Billigung
und Unterstützung — nur das fort, was schon in der Weimarer Republik praktiziert
worden war.83
Der Alemanne benutzte den Antisemitismus auch gezielt gegen die übrigen örtlichen
Zeitungen, indem er darauf hinwies, daß die Freiburger Zeitung bzw. die
Freiburger Tagespost in einer Wochenendausgabe Mitte Mai 10 bzw. 5 „Judeninserate
** veröffentlicht hatten. „Deutsche Geschäftsleute! Wollt Ihr in solcher Nachbarschaft
inserieren?**84
Ende Mai meldete dann die Breisgauer Zeitung, daß die Zulassung der Rechtsanwaltschaft
für zwei ,,nicht-arische** Freiburger Rechtsanwälte zurückgenommen
worden sei.85 Schon Ende April hatte die Städtische Pressestelle mitgeteilt, daß für
die Freiburger Frühjahrsmesse Veranstalter und Händler jüdischer Abstammung
nicht mehr zugelassen würden.86
Damit hatte sich, für jeden Freiburger sichtbar, die Lage der Juden innerhalb
weniger Wochen grundlegend verschlechtert. Sie wurden schon lange vor den Nürnberger
Gesetzen von 1935 zu Menschen zweiter Klasse gestempelt, ohne daß sich dagegen
Widerspruch, z. B. von den Kirchen, erhob.87 Selbst unter den verhafteten
politischen Gegnern des Regimes gab es für die Nationalsozialisten noch zwei Klassen
: Arier und Juden. So berichtete der Alemanne von einem Besuch im Konzentrationslager
Kislau, wonach die arischen Häftlinge die dort zu verrichtende Handarbeit
begrüßt und sofort fest zugegriffen hätten, während die Juden auch hier
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