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§ 57: Die Verfügung über meine Behausung werde ich in einem Nachtrage kund
geben [vgl. u.].
§ 58 überträgt die Vollziehung seines letzten Willens in allen Theilen einer
Executions-Commission, in Zweifelsfällen sieht der Erblasser eine jeweilige Entscheidung
durch Stimmenmehrheit vor.
§ 59 benennt die Mitglieder einer solchen „Executions-Commission": Herrn
Hofgerichtsrath Nepomuk Wetzel, Herrn Obergerichts-Advokat Thiry und Herrn
Registrator und Pfandbuch-Führer Joseph Schill, alle dahier. Bei dem früheren Ab-
sterben eines dieser Herren Executoren oder bei sonstiger Verhinderung derselben,
bringe ich den Herrn Universitäts-Wirthschaftsadministrator Albert Schinzingerdahier
... in Vorschlag ... Jedem der drei Herren Testamentsvollzieher sollen für
ihre Mühewaltung zweitausend Gulden als Gratifikation nach Beendigung des Geschäfts
aus meiner Verlassenschaftsmasse behändigt werden, der mit der Auseinandersetzung
dieser Verlassenschaftsmasse beauftragte Notar aber mit fünfhundert
Gulden als Extrabelohnung nach beendigter Arbeit für sich honorirt werden, wenn
die Executions-Commission wegen prompter und fleißiger Bedienung und Bearbeitung
des Geschäfts Veranlassung hiezu findet; dem Waisenrichter mag ein Douceur
von sechzig Gulden gegeben werden. Woraus hervorgeht, daß Merian niemanden
vergißt und keinen übergeht.
In einem ersten Nachtrag vermacht der Erblasser der gegenwärtigen Waisenhaus-
Vorsteherin Agatha Jmberi dahier, welche durch sorgfältige und mütterliche Behandlung
der ihr anvertrauten Zöglinge meine vorzügliche Achtung und Zufriedenheit
erworben hat ..., viertausend Gulden ..., stirbt sie vor mir, so fallen eintausend
Gulden hievon ihrer Mutter zu ... — Das Testament selbst war am 8. März
1848 erstellt worden, dieser Nachtrag datiert vom 10. März.
Ein ,,Codicillzu meinem letzten Willen über meine Behausung in Freiburg" folgt
unterm 10. Januar 1847 (bzw. bestätigt am 20. April 1848): Jch verordne, daß nach
meinem Ableben mein eigenthümliches in der neuen Vorstadt dahier in Freiburg gelegenes
Haus verkauft, und der Kauf Schillingserlös nach Vorschrift der nachfolgenden
Bedingungen verwendet werden soll. — In 13 Paragraphen verfügt Merian
nähere damit verbundene Einzelheiten, und zwar soll zunächst eine Summe von
12 000 Gulden dem „Central-Verein zur Rettung sittlich verwahrloster Kinder" zu
Karlsruhe zugeführt werden. In entsprechenden Versicherungsurkunden soll die Bezeichnung
„Philipp Merian'scher Stiftungsfond für verwahrloste Kinder" gewährleistet
sein. — Dasjenige, welches über besagte Zwölftausend Gulden ... erlöst
wird, soll der Stadtgemeinde Freiburg mit der Bedingung zufallen, daß solches als
immerwährendes Capital auf sicheres Unterpfand unter Garantie der Stadtgemeinde
angelegt und die Rente davon als Beitrag zu einer ständigen alle Jahre ohne Unterbrechung
in den Wintermonaten einzuführenden Sparsuppenanstalt [Art
Volksküche] dahier verwendet werden solL Die Sparsuppe (nach Rumfordschem
Prinzip) sollen unentgeldlich erhalten: 1) Fremde, hier ansäßige arme Einwohner
ohne Unterschied, welche keine Unterstützung aus hiesigen Armenfonds genießen
und wenigstens ein Jahr lang hier wohnen. 2) Stille, unbemittelte, hier wohnende
Familien und Jndividuen, sowohl einheimisch als fremd, welche aus Schamgefühl
nicht öffentlich dafür angesehen sein wollen, daß sie mit Noth kämpfen. Mit wel-
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