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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
103.1984
Seite: 133
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II

Die berufliche Laufbahn des Altphilologen Leo Wohleb erreichte im Jahre 1930
einen ersten Höhepunkt, als er vom sozialdemokratischen badischen Kultusminister
Adam Remmele zum Direktor des Gymnasiums in Donaueschingen ernannt
wurde. Rückblickend betrachtete er diese Stadt unter den Orten, in denen er wirkte,
als den „in vielfacher Weise" besten4. Als Parteipolitiker trat Wohleb, der dem
„linken", sozialen Flügel des Zentrums zugerechnet wurde, ohne diesem formell
anzugehören, nicht hervor5. Politische Akzente, die auch außerhalb des engeren
schulischen Bereichs Aufmerksamkeit fanden, setzte er vornehmlich als „politischer
Pädagoge". Als Festredner zu verschiedenen Anlässen, z.B. zur Rheinlandräumung
(1930) oder zum Verfassungstag (1931), skizzierte er eine Sicht der Dinge
, die gerade in „bürgerlichen" Kreisen gemeinhin nicht üblich war. Zwar verzichtete
auch Wohleb nicht auf eine gemäßigte, rein defensiv angelegte nationale
Rhetorik, die indessen nur den Rahmen für den eigentlichen Inhalt seiner „Botschaft
" bildete. Anders als gerade viele seiner Berufskollegen, denen das Weimarer
parlamentarische System als Ausgeburt westlichen politischen Denkens verachtenswert
war6, bemühte sich der Donaueschinger Direktor darum, Verständnis für
die spezifischen Methoden der politischen Auseinandersetzung im Parteienstaat zu
wecken, für demokratisches Engagement, beginnend an der kommunalen Basis,
zu werben, durch eine Befürwortung der wirtschaftlichen und militärischen „Erfüllungspolitik
" gegenüber den Siegerstaaten den Realitätssinn der Bürger zu fördern
. Für viele Zuhörer gewiß befremdlich klang die überaus positive Würdigung
des politischen Werkes der Reichsaußenminister Rathenau und Stresemann, „beides
Helden, die ihr Leben für das Vaterland dahingegeben haben", und ebenso
mochte die Warnung vor der nationalistischen Phrase, der nationalsozialistischen
Bekämpfung „großer Teile des arbeitenden Volkes", überhaupt der Hetze „im
eigenen Vaterland gegen das eigene Volk" nicht jedermann zeitgemäß erscheinen7.

Viele Gelegenheiten boten sich Wohleb freilich nicht, um in Donaueschingen
politische Bildungsarbeit zu leisten. Seine Versetzung als Oberregierungsrat in das
badische Unterrichtsministerium bereits im September 1931 verhinderte eine Fortsetzung
derselben, zeigte aber auch, welches Ansehen er sich in wenigen Monaten
erworben hatte. Die persönlichen und pädagogischen Tugenden, welche die örtliche
Presse zu rühmen wußte8, verweisen in erster Linie auf die dienstlichen Leistungen
, die auch für die Berufung nach Karlsruhe maßgebend waren. Zweifellos
verfügte darüber hinaus der Donaueschinger Direktor mit seiner demokratischen
Gesinnung über eine zusätzliche, der republikanischen Regierung besonders willkommene
Qualifikation: in einer Phase massiver und nicht erfolgloser nationalsozialistischer
Agitation in der Beamtenschaft konnte es ihr weniger denn je gleichgültig
sein, welche Persönlichkeiten verantwortungsvolle Ämter in der Ministerial-
verwaltung bekleideten. Vor 1933 gehörte Leo Wohleb nicht zu den zahlreichen
intellektuellen Vorkämpfern einer nationalsozialistischen „Revolution", deren politisches
Erscheinungsbild durch die „zeitweilige Verführbarkeit des Geistes, Bestechlichkeit
durch Karriere und Ruhm, Versuchung des Gedankenmenschen
durch irrationalen Aktionskult und seine sonderbare Anfälligkeit für ,eindimen-

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