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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
103.1984
Seite: 150
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drücklich per Gesetz bestätigt: Die berüchtigten Nürnberger Rassegesetze verboten
u.a. sogenannte Mischehen und schränkten die Rechte der jüdischen Bürger in
Deutschland ganz erheblich ein.6

Diese Maßnahmen der Nationalsozialisten erfolgten unter den Augen der deutschen
und internationalen Öffentlichkeit, mit deren mehr oder weniger tatenlosem
Stillverhalten man zunehmend rechnete. Auch der vorläufige Höhepunkt der antisemitischen
Aktionen im „Dritten Reich", die „Reichskristallnacht" konnte im In-
und Ausland als Augenzeuge bzw. über Presse und Funk verfolgt werden: das
Attentat des polnischen Juden Grünspan auf den Gesandtschaftsrat Ernst von Rath
am 7. November 1938 in Paris bot den nationalsozialistischen Machthabern in den
meisten deutschen Orten, so auch in Freiburg, den Anlaß zu einem Pogrom.

Nachdem die Morgenausgabe des „Alemannen" am 10. November die Nachricht
vom Tode von Raths verbreitet hatte, berichtete die Abendausgabe über die weit
verbreitete Empörung, die zu spontanen judenfeindlichen Kundgebungen im ganzen
Deutschen Reich geführt hätten. Auch in Baden wurden in verschiedenen
Städten die Synagogen demoliert. Eine größere Anzahl von Juden mußten zu ihrer
eigenen Sicherheit in Schutzhaft genommen werden. Auch die Freiburger Synagoge,
die sich gegenüber dem Stadttheater und der Universität befindet, wurde in den
heutigen Morgenstunden in Brand gesteckt. Von Seiten der Behörden sind sofort
die Aufräumungsarbeiten in Angriff genommen worden, die sich äußerst schwierig
gestalteten und umfangreiche Sprengungen erforderlich machten. Über 100 Juden
wurden in Schutzhaft genommen.1 Dieser Bericht spiegelt eindeutig die Parteilinie
wider, welche die Ausschreitungen und Zerstörungen als spontane Entladung der
Entrüstung über das Pariser Attentat darstellen ließ. Die in dem Zeitungsbericht erwähnten
Schutzhäftlinge, aus Freiburg und Umgebung nicht weniger als 137 Juden
wurden in das Freiburger Gefängnis gebracht und am gleichen Abend mittels
Sonderzug nach Dachau abgeliefert.2. Diese Information lieferte der Leiter des
Gefängnisses in einem seiner routinemäßigen Berichte an den Generalstaatsanwalt
in Karlsruhe. Diesem Bericht zufolge hielten sich aber die Ausbrüche der Volksempörung
über den Pariser Diplomatenmord in Freiburg in verhältnismäßig erträglichen
Grenzen. Die Zerstörung der Synagoge war sogar ausgesprochen zurückhaltend
ohne Zeichen der Freude aufgenommen worden. Da zu einer beschönigenden
Berichterstattung bei der bekannten antisemitischen Einstellung der nationalsozialistischen
Machthaber keinerlei Veranlassung bestand, muß diesem Augenzeugen
wohl entschieden mehr Glauben geschenkt werden als den Meldungen der
Parteizeitungen. Die „Reichskristallnacht" in Freiburg war also sicher keine von
der Mehrheit der Bevölkerung getragene spontane Aktion, sondern wie in anderen
Teilen Deutschlands ein staatlich organisiertes, von Parteiangehörigen und Mitgliedern
der SA und SS durchgeführtes Verbrechen.

Der Freiburger Gefängnisdirektor wies zudem noch ausdrücklich darauf hin, daß
er für die korrekte Behandlung der Häftlinge durch seine Beamten gesorgt und
Exzesse der Begleitmannschaften verhindert habe. Den möglichen Vorwurf, daß er
die Juden zu freundlich behandelt habe, entkräftete er vorsorglich mit dem Hinweis
auf sein Pflicht- und Verantwortungsgefühl, das er seit Leistung meines Beamteneides
im Jahre 1899 durch die Fahrlässigkeiten aller Zeitläufte hindurch stets unver-

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