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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
104.1985
Seite: 154
(PDF, 41 MB)
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wurde eine Dankesschuld anerkannt; dieses Fest setzte sich daher in vielen Ländern
rasch durch, wurde allerdings schon bald kommerzialisiert — nicht anders als
Weihnachten und Ostern.

Verschleierung und Offenheit

Der Nationalsozialismus arbeitete von Anfang an mit Terror und Lockung. Wenige
Monate nach der „Machtergreifung" bemächtigte er sich des Ersten Mai und des
Muttertages und stellte beide Feiertage in den Dienst seiner Propaganda. Es galt
viel zu verschleiern: Die Diskriminierung der Frau in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft
, die Verdrängung von Frauen aus leitenden Positionen, die Einführung
eines gegen das Frauenstudium gerichteten numerus clausus an den Universitäten,
Benachteiligungen der Frau sogar im familiären und sexuellen Bereich. Der Verschleierung
solch vielfältiger Diskriminierung diente auch die massenweise Verteilung
von Auszeichnungen, zu denen das „Ehrenkreuz der deutschen Mutter" gehörte
.4

Offen bekannte sich der Nationalsozialismus dagegen zu einer aktiven Bevölkerungspolitik
. Kinderreiche, so heißt es in dem maßgebenden Nachschlagewerk, sind
„von entscheidender Bedeutung für die Erhaltung des Volkes nach Zahl und Art";
als „Vollfamilie" werden hier „erbgesunde, geordnet lebende Familien mit vier
oder mehr Kindern" bezeichnet.5 Wie in vielen europäischen Ländern glaubte man
auch in Deutschland schon lange vor 1933, daß der offenkundige Rückgang der
Zahl der Geburten ein den Bestand von Volk und Reich bedrohendes Unglück sei.6
Bald nach der Machtergreifung beschlossene Maßnahmen sollten der Bekämpfung
der Arbeitslosigkeit und dem BevölkerungsWachstum dienen: „Ehestandsdarlehen"
in Höhe von 1000 Mark (1936 entsprach diese Summe etwa 6 Monatslöhnen eines
Arbeiters) mußten mit nur 1 % verzinst werden, wenn der Mann Alleinverdiener
war, mit 3%, wenn Mann und Frau eine Beschäftigung hatten.7 Diese Darlehen
konnten „abgekindert" werden, d. h. daß jede Geburt zu einer spürbaren Verringerung
der Restschuld führte. 1933 wurden 14.000 solche Darlehen ausbezahlt, 1934
schon 225.000, in den Jahren 1935 bis 1940 160.000 bis 270.000. Zusätzlich wurden
die Zahlung von Kindergeld und Steuerermäßigungen (Kinderfreibeträge) eingeführt
.8 Der ideologischen Überhöhung dieser Entwicklung diente schließlich die
Stiftung des „Ehrenkreuzes der deutschen Mutter".

Kurzfristig schienen die Erwartungen der neuen Machthaber aufzugehen: Die
Zahl der Lebendgeborenen stieg im Deutschen Reich von 971.174 (1933) auf
1.413.230 (1939)9, doch blieb die Geborenenziffer auch dann noch weit hinter der
zu Anfang der 1920er Jahre zurück (etwa 20 Geburten auf 1000 Einwohner 1939,
1922 mehr als 25) — von den Geburtenraten des 19. Jhs. ganz zu schweigen.10 Der
scheinbar spektakuläre Erfolg der Maßnahmen erklärt sich damit, daß seit 1933
viele Eheschließungen und Geburten „nachgeholt" wurden, die man zur Zeit der
Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre
„aufgeschoben" hatte.

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