http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1986/0032
Doch diesen Schritt zu einer Befestigung bisher ungekannter Größenordnung
konnte sich auch schon Freiburg nicht mehr leisten. Will man also ein Vorbild für
die Emmendinger Stadtmauer nach 1590 suchen, liegt es nahe, einen Bezug zur
nächst größeren Stadt Freiburg herzustellen. Hier fand sich spätestens seit dem 14.
Jahrhundert das hochmittelalterliche Prinzip der Ummauerung — entsprechend
Grubers zweitem Entwicklungsbild —, das in modifizierter und bescheidenerer
Form auch noch in Emmendingen zur Anwendung kam.115
Die Wehrhoheit lag nach der Emmendinger Stadtordnung beim Landesherrn. So
mußte die Bürgerschaft, die in der „Schützengesellschaft von 1590" zusammengeschlossen
war, im Kriegsfall noch selbst für Bewaffnung und Verteidigung sorgen
. . . so offt es dann noth bescheinen und sie ermahnt werden, nacheilen, retten und
helfend Finanziert wurde die Stadtmauer mit den städtischen Einnahmen aus der
„Übersteuer" und dem „Ungeld",117 eine für das Mittelalter des öfteren bezeugte
Maßnahme.118 Auch für die lange Dauer des Mauerbaus, die bis zu 100 Jahren
betragen konnte, finden sich zahlreiche Beispiele.119 Den genauen Zeitpunkt für den
Baubeginn in Emmendingen wissen wir nicht. Das bei Maurer zitierte Beispiel für
die städtischen Ausgaben in einer Rechnung von 1617, ... als die Maurer den
ersten Stein an der Mauer gelegt, wurde verzehrt 1 Gulden 10 Batzen . . . ,120 ist
schwerlich als tatsächlicher Baubeginn zu interpretieren, wohl eher als „erster
Stein" für das Jahr 1617; denn die Stadtordnung verlangte den Mauerbau
schließlich zue ehister gelegenheit, und eine Verzögerung um 27 Jahre wäre völlig
unverständlich.
In welchem Stadium der Mauerbau dann bei Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges
(1618 —1648) sich auch immer befand, einen wirklichen Schutz konnte er
offensichtlich nie bieten. Die Stadtmauer war ja noch auf die längst überholte frontale
Angriffstechnik aus der Nähe und vertikale Verteidigung aus der Höhe konzipiert
und konnte natürlich in keiner Weise den neuen Angriffswaffen Stand halten.
Die wirkungsvolle Abwehr einer Belagerung war von vornherein unmöglich. Emmendingen
war deshalb, militärisch gesehen, eigentlich „unbefestigt" und die
Wehrpflicht der Bürger eine reine Farce. So rückten erstmals 1622 fremde Truppen
in Emmendingen ein und die Bevölkerung wurde entwaffnet.121
Es folgten in den nächsten Jahren viele Einquartierungen, Plünderungen, Zerstörungen
und die Verpflichtung zu Kontributionen. Obendrein wurde die Stadt
immer wieder von Hunger und Krankheit heimgesucht, am schlimmsten bei der
Pest von 1632/33.122 Die schrecklichen Folgen des Krieges zeigt der starke Bevölkerungsverlust
, der für Emmendingen auf 80 % geschätzt wird. Während für das
Jahr 1624 etwa 500 Einwohner erfaßt waren (s. o. S. 13), sind gegen Ende des Krieges
nur noch etwa 100 nachweisbar.123 Und von den ursprünglich 112 Häusern blieben
nach dem Krieg nur noch 36 übrig, darunter das Schloß, Rathaus, Pfarrhaus
und die Kirche, alle anderen sind durch den Krieg eingerissen und verbrennt
worden.124
In den 50er und 60er Jahren des 17. Jahrhunderts scheinen sich die Verhältnisse
in Emmendingen etwas verbessert zu haben, wie den Bemühungen um einen Wiederaufbau
zu entnehmen ist,125 der auch die Stadtmauer mit einschloß. Im Ratsprotokoll
vom 17. Februar 1668 heißt es z. B.: ... ist beschlossen worden, ein
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