http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1986/0086
Grundlage der bisherigen Ratsordnung sei Herzog Leopolds Urkunde von 1392 gewesen
, in der der Anteil der Zünfte am Stadtregiment festgelegt worden sei. Nun seien
aber zwayung und irrung entstanden, die größtenteils ihren Ursprung in den Zünften
gehabt hätten; das habe den Landesfürsten bewogen einzugreifen. Zudem hätten viele
Ratsmitglieder, besonders aus den Zünften, weder das Ansehen noch die materielle
Substanz für die Ratstätigkeit. So sei beschlossen worden, die Zünfte, die Zunftmeister
und die Zunfttrinkstuben abzuschaffen.
Damit wurde ein neuer Ratsbesetzungsmodus notwendig. Die Anzahl der Ratsmitglieder
sollte nunmehr auf 24 beschränkt werden. Je 6 Ratssitze standen den Adligen
und Kaufleuten zu. Für den Fall, daß eine der beiden Gruppen die ihr zustehenden
Sitze nicht voll besetzen könnte, sollte sie aus der andern Gruppe ergänzt werden.
Da die Zunftorganisation abgeschafft werden sollte, mußte die ganze Stadt in 6 Stadtteile
eingeteilt werden, die jeweils einen Sechsteilmeister in den Rat zu entsenden hatten
. Dazu kamen nochmals 6 Vertreter der Handwerker und der Gemeinde, die aus
beliebigen Sechsteilen in den Rat genommen werden sollten. Bürgermeister und
Schultheiß sollten wie bisher aus dem Kreis der Adligen und Kaufleute genommen
werden und die gleichen Befugnisse wie früher behalten. Der Bürgermeister erhielt
zwei Beigeordnete, der eine aus dem Kreis der Kaufleute und der andere aus dem
Kreis der Sechsteilmeister, die ihn unterstützen und mit ihm zusammen das Stadtsiegel
zu führen hatten. Auch die 6 Amtsherren im Kaufhaus, der zentralen städtischen
Finanzbehörde, sollten zu gleichen Teilen aus Adel, Kaufleuten und Sechsteilmei-
stern genommen werden. Der Rat sollte die Gewalt haben, alle städtischen Amter zu
besetzen und, wie bisher üblich, die Stadtgeschäfte zu regeln.
Jedem der 6 Teile wurde eine Trinkstube zugeordnet. Die Altstadt wurde in 4 Teile
eingeteilt mit den Trinkstuben zum Riesen, zum Löwen, zum Falkenberg und zum
Spiegel; in der Vorstadt Neuburg sollte die ehemalige Zunftstube der Rebleute, die
Stube zur Sonne, und in der Schneckenvorstadt die Stube zum Monen als Mittelpunkt
dienen. Jedes Jahr soll vom Rat den Sechsteilen ein Sechsteilmeister gegeben werden,
der zugleich als Ratsmitglied fungieren und in seinem Teil für Ordnung sorgen solle.
Auf den Trinkstuben sollte erberkait und zucht herrschen, besonders auf Unruhe oder
geheime Absprachen sowie auf spöttische und frevelhafte Äußerungen sollte geachtet
werden.
Für diese Aufsichtsaufgaben sollten dem Sechsteilmeister zwei oder drei weitere
Personen zur Unterstützung beigegeben werden. Ebenso sollte der Rat jedes Jahr in
allen Handwerken etliche tougenliche Personen setzen, die die wirtschaftlichen Belange
regeln sollten.
So wie sich die einzelnen Teile nicht eigenmächtig versammeln durften, so durfte
auch der Rat nicht ohne Erlaubnis und Anwesenheit des Landvogts die Bürgergemeinde
versammeln. Die Urkunde schließt mit einigen ergänzenden Bestimmungen
über die Besteuerung der Geistlichkeit.
Wir wissen wenig darüber, wie es zu dieser tiefgreifenden Änderung der Ratsverfassung
gekommen ist. Der gewohnte Termin für die Ratsbesetzung, der 24. Juni, war
bereits verstrichen, und man wartete immer noch auf Erzherzog Albrecht, der der
Ratswahl beiwohnen sollte.5 Seit dem 3. Juli war er dann zusammen mit Herzog
Philipp von Burgund und zahlreichen Adligen in Freiburg zu einem großen Fest ver-
84
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1986/0086