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und der Kaufleute und die elitäre zunftbürgerliche Trinkstube zum Gauch wurden
ebenso wie die Trinkstuben der Geistlichkeit von der Aufhebung ausgenommen.
Ab Abschnitt 19 wird die zweite Möglichkeit durchgespielt: die völlige Aufhebung
der Zünfte. In diesem Fall soll die Stadt in 6 Teile eingeteilt werden, die jeweils einen
Vertreter in den Rat entsenden sollten. Ähnlich wie bei der ersten Möglichkeit sollten
6 weitere bürgerliche Räte uß der gantzen gemeinde, das yetz die zunffte sint, die die
besten und nutzsten dartzu sin aus allen Teilen erwählt werden.
Die Abschnitte 14 und 21 fassen nochmals knapp die Kompetenzen des Rats zusammen
.
Der zweite Verhandlungsentwurf, Frid 55/24, greift die Gedanken des ersten Entwurfs
auf und präzisiert und ergänzt vor allem die zweite Lösung: die Abschaffung
der Zünfte. Er beginnt mit der sehr allgemein gehaltenen Feststellung, daß ihnen
[dem Erzherzog und seinen Räten] schon oft gemeldet worden ist, daß in Freiburg
viele Sachen in Unordnung geraten und dadurch viele beeinträchtigt worden seien.
Das komme daher, daß es zuviele Zünfte gebe und zuviel Personen im Rat seien, die
wegen ihrer Ratstätigkeit kaum ihren Lebensunterhalt bestreiten könnten. Die Freiburger
hatten mehrfach ihrem Landesherrn die wirtschaftliche Not geschildert und
verzweifelte Versuche zu ihrer Behebung vorgeschlagen,15 doch der Landesfürst
hatte nach dem vorliegenden Beratungsentwurf die echten Probleme gar nicht erkannt
. Seine Maßnahmen beschränkten sich auf vordergründige Modifikationen der
Ratsverfassung. Er hätte freilich auch der bedrängten Stadt kaum finanziell zur Hilfe
kommen können, da er selbst unter chronischem Geldmangel litt und bestrebt war,
die Finanzkraft seiner Städte für sich auszunützen. Am 25. November 1454 lud er die
vorderösterreichischen Städte nach Neuenburg, um über eine allgemeine Landschat-
zung zu beschließen.17 Daß die Stadt an der Grenze ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit
angelangt war, scheint Erzherzog Albrecht nicht zur Kenntnis genommen zu
haben. Als einziges Zugeständnis erlaubte er der Stadt, wenigstens das weltliche Gut
der Geistlichkeit und Pfründen, deren Stiftungskapital früher für die Stadtschuld gebürgt
hatte, zu besteuern.
Auch die folgende Feststellung, daß viele Ratspersonen durch die zahlreichen Freiburger
Trinkstuben die sü kostlich halten müssen, in Armut geraten seien, zeugt eher
von pädagogischer Naivität als von Einsicht in die wahren Gründe für Freiburgs
Nöte.
Die folgenden Abschnitte 2 und 3 wiederholen nochmals die geplante Ratsreform
in ihren wichtigsten Einzelheiten, wie sie bereits ausführlich in den Abschnitten 1 bis
4 und 9 bis 10 von Nr. 23 erörtert worden waren.
Neu ist die folgende Bestimmung (Abschnitt 4). Kein Einwohner soll irgendein
Bündnis, Einung oder Satzung ohne Wissen und Willen des Rats und nur in Gegenwart
von Ratsgesandten machen. Gibt uns diese Formulierung den Hinweis, daß unter
der Bürgerschaft und vermutlich besonders in den Zünften Unruhe bestand, die zu
größeren Konflikten zu eskalieren drohte? Ist so auch der Hinweis in der Urkunde
vom 24. August 1454 zu verstehen, der noch deutlicher von zwayung und irrung . . .
die auß den zünfften und zunfftmeistern des mererntails Ursprung hetten, spricht? Wir
finden zwar an keiner Stelle Hinweise auf solche Konflikte, was aber nicht viel besagen
muß. Denn es war die erklärte Absicht des Rats, solche Konflikte im frühen Sta-
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