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felsohne die merowingische Großpfarre noch mehr oder weniger intakt war. Es ist
nun bemerkenswert, daß die Lex es als den Normalfall betrachtet, daß der 'conven-
tus* jeweils an den Sonntagen zusammentritt. Es liegt daher nahe, einen Zusammenhang
zwischen Kirchgang und Gerichtsbesuch anzunehmen, dermaßen
, daß wohl im Anschluß an den Gottesdienst das Gericht tagte. Dafür spricht
auch der vielfach beobachtete räumliche Zusammenhang von ältester Pfarrkirche
und Dingstätte".443
Von diesem sonntäglichen Gericht hat sich in Umkirch eine Spur bis ins 18. Jh.
gehalten. Denn was der Ortsherr Escher/Äscher von Binningen in der Mitte des
17. Jh. darunter verstand, wenn er den Bannwart verpflichtete, begangene Frevel
nach altem Herkommen öffentlichen (zu) Rüggen und Bussen, wird 1703 verdeutlicht
, als die Obrigkeit den Bann wart daran erinnert, Frevel, die er in der vergangenen
Woche festgestellt hat, am Sonntag nach gehaltenem Gottesdienst öffentlichen
zue riegen.45 Im Erblehenbrief über den Fronhof wird dem Meier auferlegt, den
Leuten das Ding zu verkünden und dem Grafen, wenn er wegen des Ding-Gerichtes
kommt, auf dem Hof einen Stall, Heu und Stroh zu stellen.46 Der Dorflindenplatz
und die uralte Linde, unter welcher das Ding abgehalten wurde, sind erst 1875 verschwunden
.47 Daß aber auch der Kirchenraum selbst als Versammlungsraum in
weltlichen Dingen benutzt wurde, zeigt der Dingbrief von 1279.48 Die Abmachungen
über die gegenseitigen Rechte und Pflichten zwischen dem Fronhof und den
Dorfgenossen wurden in der Kirche ausgehandelt. Sicher war die sonntägliche Versammlung
der Gemeinde in der Kirche auch Anlaß, weltliche Dinge zu verkünden.
Wer war auf dem Dorfe besser geeignet, Schriftstücke vorzulesen als der Pfarrer?
Noch Kaiser Joseph II. ordnete die Kanzelverkündigung der Gesetze und Verord-
nungen an/'
Markanter Mittelpunkt eines Gebiets war demnach die Kirche, wo man sich
sonntäglich freiwillig oder aus Pflicht zum Gottesdienst und dem anschließenden
Dorfgericht oder dem gebotenen Ding traf. Der Volksmund findet rasch einen
„sprechenden" Namen. Wie aber lautete er ursprünglich für Umkirch?
IV.
Die Anlage eines römischen Vicus von beträchtlicher Ausdehnung, und in
fränkischer Zeit die Errichtung eines bedeutenden Königshofes, wohl auf alemannischer
Grundlage, wecken gewichtige Zweifel, ob die ursprüngliche Kirche, die dem
Dorf den Namen gab, eine 'Wasserkirche* war. Ausgrabungen im Jahre 1980
haben gezeigt, daß diese Kirche über den Resten eines größeren, römischen Steingebäudes
errichtet wurde.50 Eine Brandschicht oberhalb des römischen Mauerwerkes
könnte von der ersten, sicher aus Holz erbauten Kirche stammen. Die
jetzige, wohl eine der ältesten Kirchen im Breisgau, wurde darüber in der 2. Hälfte
des 11. Jh. erbaut.51 Der Vicus lag vermutlich nahe der rechtsrheinischen Fernstraße
, welche Sumpf und wasserreiches Gelände vermieden hätte.52 Ein wesentliches
Merkmal der Pfarrkirchen war das Beerdigungsrecht.53 Der alte Friedhof ist
um die Kirche herum angelegt. Daß auswärtige Tote zum Begräbnis hierher gebracht
wurden, bezeugen die alten Wegenamen Totenlucke nach dem Mundenhof
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