http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1986/0222
I. KIRCHENMUSIK
Gesang im ottonischen Reichskloster
Das ausschließlich Damen des Adels vorbehaltene Benediktinerinnenkloster St. Margaretha
hat im 10. Jahrhundert, nicht zuletzt durch die Gunst des Kaisers, in hohem
Ansehen gestanden. In einer Urkunde, die Otto III. am 29. Dezember 9948 in Erstem
ausgestellt hatte, schenkte der Kaiser dem Kloster 5 Mansen9 und 1 Hofraite10
von seinem Salland11 zu Königschaffhausen im Breisgau, in der Grafschaft Berchti-
los, ebenso den Wald genannt Hard zwischen Schaff hausen (Kaiserstuhl) und Wyhl.
Dies geschah auf Bitten seiner Schwester Sophie, die in Gandersheim, einem anderen
ottonischen Hauskloster, lebte.12 Aus der gleichen Zeit ist ein liturgisches Buch erhalten
, das möglicherweise der Kaiser mit den Urkunden dem Margarethenkloster
hat überbringen lassen. Es ist ein Pergamentband mit 227 Blättern im Format 19 x
14,8 cm. Die Blätter 46 — 55 fehlen darin. Der Band befindet sich in der Osterreichischen
Nationalbibliothek in Wien als Cod. lat. 1888.13 Der Inhalt dieses Buches läßt
sich schlecht näher erklären. Eine systematische Ordnung fehlt völlig. Liturgische
Gesänge, Segnungen, Litaneien und Meßtexte folgen einander ohne etwa nach dem
Ablauf des Kirchenjahres geordnet zu sein und sind nicht, wie in einem neuzeitliche
Rituale, übersichtlich aneinandergereiht. Ein allerdings erst im Anfang des
16. Jahrhunderts geschriebener Besitzeintrag weist das Buch als Eigentum des Stiftes
S. Margarethae in Silva Herynia aus. Deutliche Hinweise darauf, daß die Handschrift
in kaiserlichem Auftrag um 990 geschrieben und von vornherein für das Waldkircher
Kloster bestimmt war, sind aus dem Text zu entnehmen. Andrieu14 wies darauf hin
und zeigte auf, wie eng das liturgische Buch für das Kloster Waldkirch mit den bedeutendsten
Werken des Scriptoriums von St. Alban in Mainz zusammenhängt und
schließt dies aus der Beobachtung, daß die Waldkircher Handschrift eine getreue Kopie
einer heute nicht mehr erhaltenen, zwischen 936 und 962 gleichfalls in St. Alban
hergestellten liturgischen Sammelhandschrift darstellt, die den Kompilatoren15 des
ottonischen Pontificale als wichtige Quelle diente. Von dieser Waldkircher Handschrift
hängen denn auch einige Handschriften des Ordo I, des Ordo Romanus Anti-
quus, ab.
Die Abfolge der Aufzeichnungen folgt in diesem Werk nicht etwa dem Ablauf des
Kirchenjahres, dabei sind beispielsweise die Meßgebete und -gesänge nicht vollständig
angegeben. Auf Kaiser Otto deuten besonders zwei Litaneien hin. Sie enthalten
Fürbitten für einen König Otto. In der einen Litanei lautet die suplicatio: Ut Ottonem
regem et eius exercitium Dominus conservet und in der anderen heißt es: Ut rex noster
Otto eius et exercitus hinc et inde servetur oramus. Christe audi nos. Beide Fürbitten
dürften sich — entsprechend der Datierung der Vorlage — ursprünglich auf Otto I.
bezogen haben.
Als hervorragendes Zeichen der Kontinuität in der liturgischen Überlieferung überrascht
die wörtliche Übereinstimmung der Texte mit denen, wie sie bis zur Liturgiereform
im Misale Romanum zu finden sind.16 Ein frühes Zeugnis deutscher Sprache
stellt auf Folio 33 f eine CONFESSIO PECCÄ1DRUM dar. Eine Einfügung, wie sie
zur Zeit der Entstehung unserer Handschrift nur recht selten anzutreffen ist.
220
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1986/0222