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einem für Waldkirch ungewöhnlichem Aufwand ging am 22. August 1843 das
25jährige Jubiläum der Badischen Verfassung vor sich. Zu Zapfenstreich, Tagwache,
feierlicher Kirchgang und Festakt auf dem Marktplatz waren alle musikalischen
Kräfte der Stadt gefordert. Wie beim badischen Linienmilitär gab es für die Musiker
die Bezeichnung Hoboisten. Auch bestand beim Musikkorps die gleiche Rangordnung
wie dort. Der Kapellmeister hatte den Rang eines Feldwebels, trug aber einen
Offiziersdegen. Kenntlich war er an seinem rot-weißen Roßhaarschweif auf dem
Tschako und an den zwei auf rotes Tuche aufgenähten 2 cm breiten winkelflörmigen
Borten auf jedem Vorderärmel. Die Hoboisten trugen einen roten Roßschweif. Man
unterschied zwischen Hautboisten I. und II. Klasse. Erstere hatten Sergeantenrang
und waren wahrscheinlich die länger Dienenden. Ein goldener Winkel an jedem Ärmel
unterschied sie von Musikern der II. Klasse. Diese trugen Korporalsrang und
zeigten einen gleichbreiten Winkel, jedoch aus gelbem Wollstoff. Nichts deutet darauf
hin, daß in der Höhe der Vergütung ein Unterschied bestand. Und da ein Großteil
der „Besoldung" in Eß- und Trinkbarem bestand, wäre es schwer gefallen die
Größe des Appetits und des Durstes nach den jeweiligen Rangstellungen zu beurteilen
.
Das Musikkorps bestand während der 1840er Jahre aus 26 bis 28 Mitwirkenden.
War es nur ein Kompliment für die Leistungen, daß der Gemeinderat 1846 den Beschluß
faßte, vom Kapellmeister zu verlangen, während der Sommermonate wenigstens
einen Sonntags im Monat auf dem Marktplatz eine Produktion der Musikkapelle
zu zeigen? Von einer Vergütung war nicht die Rede. Dann kam der Ostersonntag des
Jahres 1848, an dem auch Waldkircher Musiker ihr Instrument mit einer Waffe wechselten
und nach Freiburg zogen, den Aufständischen gegen das heranrückende Militär
zu Hilfe zu kommen. Ein Volksaufstand war ausgebrochen. Franz Xaver Schindler
schildert seine Erlebnisse recht anschaulich. Auch von der recht bürgerlichen Auffassung
von militärischem Wachtdienst berichtet er. Doch andere Teilnehmer wußten
später zu erzählen, wie dieser Dienst von Waldkircher Freischärlern im „Schmeck-
am-Becher" (später Löwenbräuhalle) ausgeübt wurde. Bei Bier und Kegelschieben
wollten sie den Feind abwarten. Und hätte sich nicht eine Kanonenkugel durch das
Fenster ziemlich handfest auf das Bierfaß gesetzt, weiß Gott, sie hätten nicht bemerkt
, daß für sie der Krieg bereits vorbei war.109 Am Osterdienstag 1848 (25. April)
kam der badische Hauptmann Dreyer und entwaffnete das Bürgermilitär. Damit hatte
auch dessen Musik zu bestehen aufgehört.110 Während der Revolutionswirren gab es
ohnedies nichts zu musizieren. Zeigten sich nach der Niederwerfung musikähnliche
Äußerungen, so erregten sie das Mißfallen der Obrigkeit als eine Störung der öffentlichen
Ordnung. Herrschte seit dem Einzug der preußischen Truppen am 9. Juli 1849
schier Grabesruhe im Städtle, so ging am 25. September dem Bürgermeisteramt ein
Erlaß des Bezirksamts zu. Kaum, daß heute in der Früh die Ordnung haltenden preußischen
Truppen von hier abmarschiert sind, so hat man schon wieder den schamlosen
Strassenunfitg erlebt, daß Zöglinge des Chorregenten Kienzle (Schüler der Musikschule
) unten am Garten des Herrn Geistlichen Raths und beim Amtsrevisoratsge-
bäude mit Kratzen auf ihren Geigen und ein höllisches Geschrei mittags V2 12 Uhr
die öffentliche Ordnung gestört und damit unzweideutig zu erkennen gegeben haben,
daß sie sich nicht gebessert sondern Willens sind, das zügellose Treiben hier aufs
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