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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1986/0280
seine Fabrik an die französische Orgelbaufirma A. Gavioli & Co. in Paris verpachtete
, entstand helle Empörung. Doch kein Unglück ist so groß, als berge es nicht ein
Glück in seinem Schoß. Die Franzosen waren im Fach keine heurigen Hasen. Durch
sie geschah dem Waldkircher Orgelbau kein Abbruch, im Gegenteil, sie brachten
technische Neuerungen mit. Diese nicht hinreichend beachtet zu haben, kostete den
Waldkirchern auf der Weltausstellung in Paris im Jahre 1900 die höchste Auszeichnung
. Die Gebr. Bruder hatten sich als einzige unter den Waldkirchern bereits 1898
die Musikübertragung durch gelochte Kartonblätter patentieren lassen, doch bei der
Herstellung des Ausstellungsstückes, an dem auch die anderen örtlichen Orgelfabriken
beteiligt waren, wollte man die Walze weiterhin beibehalten und hatte statt Notenkartons
eine recht kunstvolle, aber leider nicht moderne Technik angewandt. Das zum
Vortrag bestimmte Stück, die Ouvertüre zu „Wilhelm Teil" von Rossini, setzte die
Jury in helles Entzücken über die vorzügliche Wiedergabe. Doch als die Richter den
Kasten öffneten und darin eine Walze sahen, war der Traum von der Goldmedaille
dahin. Die Wiedergabe war in Bezug auf Ton und Genauigkeit so vollkommen, daß
man irgend eine neuartige Konstruktion vermutete. Das traf auch zu. Die Ouvertüre
war nämlich auf einer Walze, die sich in einer Schraubenlinie in Längsrichtung verschob
, aufgebracht.

Der Bau einer Drehorgel war im übrigen gar nicht so einfach wie manche Leute
glauben möchten. Otto Bruder, der letzte Orgelbauer aus der Bruderfamilie, hat eine
recht anschauliche Beschreibung des Orgelbaus hinterlassen.123 Er schreibt: Diese
Drehorgeln und die daraus entstandenen Schaustellerorgeln waren mit Walzen spielbar
, die mit Stiften und Klammern besetzt waren. Sie hatten einen ziemlich kleinen
Tonumfang, der sich bei Straßenorgeln zwischen 20 und 30 Tönen bewegte. Auch die
Länge der einzelnen Stücke war beschränkt und durch den Umfang der Walze bestimmt
. Sie betrug je nach Größe der Orgel gewöhnlich 48, 64 und bei großen Orgeln
80 Takte. Mit der Entwicklung des ambulanten Vergnügungsgewerbes stiegen auch die
Anforderungen, die an die Orgeln gestellt wurden. So wurde im Laufe der Jahre der
Tonumfang durch Einfügen von Halbtönen, die in den kleinen Straßenorgeln nur spärlich
vorhanden waren, immer mehr erweitert. Durch ein Einbau einer von der Stiftwalze
gesteuerten Vorrichtung wurde es möglich, die vom Komponisten vorgeschriebenen
Forte- und Pianostellen wiederzugeben. Auch die Mannigfaltigkeit des
Toncharakters wurde durch Verwendung verschiedener Register erreicht. Die Ende
des vorigen Jahrhunderts gebauten Orgeln erreichten einen beachtlichen Hochstand.

Die ersten Jahre dieses Jahrhunderts brachten mit dem Aufkommen der reisenden
Kinos und anderen großen Fahr- und Schaugeschäften einen weiteren großen Fortschritt
im Bau von Schaustellerorgeln. Um nämlich den Forderungen dieser Geschäfte
nach vollständiger und möglichst partiturgetreuer Wiedergabe der verlangten
Musikstücke nachzukommen, ging man von dem alten Stiftwalzensystem ab und verwendete
gefaltete und perforierte Kartonblätter in einer Länge von durchschnittlich
100 m. Während bei den Walzen ein Stift oder eine Klammer die dem benötigten Ton
in seiner Höhe und Länge entspricht, einen Hebel hochhebt, um dem Wind in die
Pfeife strömen zu lassen, gleiten nun perforierte Notenblätter über eine Lochplatte.
Gibt nun eine Lochung im Kartonblatt ein Loch in der Platte frei, so wird über eine
Anordnung von Membranen und Ventilen der Wind in die entsprechende Pfeife gelei-

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