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Auch der Manöverbeobachter des Linienmilitärs berichtete über seine Eindrücke
dem Markgrafen Wilhelm. Ein rechter Freund des Bürgermilitärs scheint der Obrist
v. Horadam nicht gewesen zu sein, denn er hob in seinem Rapport vor allem negative
Vorfälle hervor.25 Dem Zorn des Bürgermilitärkommandanten darüber verdanken
wir die ausführliche Gegendarstellung.26 Seine Entrüstung bezog sich hauptsächlich
auf — wie er meinte — hochgespielte Verwundungen von Mitwirkenden.
Alles sei ganz anders gewesen und ohne schwerwiegende Folgen. Was war geschehen
?
Im Eifer des Gefechts hatte ein Artillerist eine Kanone abgeschossen, als noch
der Rohrwischer darin steckte. Der Wischer flog 60 Schritte weit durch die Luft.
Der Unglücksschütze aber wurde durch den Luftdruck zu Boden geschleudert und
versengte sich geringfügig Uniform und Haut. Der zweite Zwischenfall bestand
darin, daß versehentlich bei einem der Vorderladergewehre ein Ladestock mit abgefeuert
wurde, welcher in die 30 Schritte entfernte Linie der angreifenden Kolonne
schlug und für Blutergüsse bei zwei Männern an Wade und Schenkel sorgte.
Bereits im Mai 1837 war der Obrist v. Horadam dem Bürgermilitär in die Parade
gefahren. Er hatte sich nämlich beim Armeecorpskommando in Karlsruhe beschwert
, daß das Bürgermilitär am 20. in der Frühe um 7 Uhr bewaffnet durch
mehrere Straßen der Stadt zum Exerzieren auf den Karlsplatz marschiert sei und
dabei durch Trommeln und Blasen von Instrumenten große Stöhrung des öffentlichen
Gottesdienstes herbeyführte.11 Vor allem aber irritierte der Ausmarsch des
Bürgercorps den Herrn v. Horadam, weil er ohne die vorgeschriebene vorherige
Anzeige beim örtlichen Militärkommandanten stattfand. In der Tat war das Bürgermilitär
verpflichtet, seine Aktionen zuvor beim Stadtamt als seiner nächstvorgesetzten
Behörde und beim Garnisonskommandeur anzumelden. Diese Verordnung
ist gewiß Ausdruck eines latenten Mißtrauens der badischen Staatsmacht gegenüber
den von ihr nur schwer zu kontrollierenden paramilitärischen Verbänden der 87
Bürgerwehren im Großherzogtum. Andererseits konnte der Innenminister 1830 seinem
Großherzog melden:28
Noch niemals haben dieselben Anlaß zur Besorgnis gegeben, daß sie den Zwecken
der Regierung feindlich entgegentreten werden, vielmehr haben sie schon vielfältig
Beweise ihrer Unterstützungsbereitwilligkeit gegeben.
Nun war das Ausrücken des Bürgermilitärs allerdings immer eine lautstarke und
umständliche Prozedur, die geeignet war, die Bewohner der Oberstadt aus den Betten
zu werfen. Um Dreiviertelsechs rückte die Kavalleriekompanie, die sich auf
dem Karlsplatz gesammelt hatte, vollständig equipirt29 durch die Herrenstraße oder
Pfaffengasse, wie sie damals noch hieß, zur Bürgerkaserne ab, um dort die Fahne
und die drei Infanteriekompanien abzuholen. Die Bürgerkaserne befand sich im
Gebäudekomplex des vormaligen Augustinerklosters. In der Kaserne hatte das
Corps sein Arsenal, das es 1838 durch den Kunstmaler Oberle mit einer Plafondmalerei
versehen ließ.30 An der Kaserne hatte sich inzwischen die Infanterie marschbereit
gemacht. Ging es zu einer ordinären Übung, waren als Uniform grüne
Hosen, Überrock ohne Fangschnüre und Houpons vorgeschrieben. Jeder Mann
hatte einen scharfen Feuerstein auf dem Gewehr mitzubringen^ und bekam abgezählt
einige Patronen ausgehändigt. War ein Festtag oder eine Parade der Anlaß
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