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und 3,60 Meter ausladenden Baumes, der, vom „Alemannen" nunmehr für eine Ulme
gehalten, wegen der Nägel ein Gewicht von 20 bis 25 Zentnern aufwies und von zehn
kräftigen Zimmerleuten „als großartiges Sinnbild vaterländischen Geistes echt deutscher
Treue und Opferwilligkeit" an seinen neuen Platz im Augustinermuseum getragen
wurde, „rechts vom Hauptsaal des Erdgeschosses".13
Aber der eiserne Baum zeigte sich weder beständig eisern noch steinern. Im Dezember
1938 legte ein abermals abgebrochenes Astende das total vermorschte Innere
bloß: der Baum hatte es endlich satt, zu immer neuen pathetisch-heldischen Phrasen
mißbraucht und seiner ursprünglich sozialen Funktion entfremdet zu werden. Er
rächte sich für die künstlichen Lebensverlängerungsspritzen und bedrohte mit den aus
der Bruchstelle herauskrabbelnden Käfern und Larven — es handelte sich um den
Pinselkäfer Trichius fasciatus L. — die Bestände des Augustinermuseums. Mit einem
ausführlichen wissenschaftlichen Gutachten gewappnet, schlug der Museumsdirektor
beim Oberbürgermeister Alarm und verlangte, daß die Nägel als Alteisen abgegeben
— man sammelte damals jede Menge Altmaterial und Rohstoffe — und der Baum unverzüglich
verbrannt werden müsse. Am 2. Januar 1939 wurde die Genehmigung
„zum Abbruch des eisernen Baumes" erteilt. Aber so ohne weiteres durften die
längst mit Rost gleichmäßig überzogenen „Opfer-Nägel" nicht dem Alteisen zugeführt
werden, vielmehr erhielt der Direktor des Städtischen Forstamtes den Auftrag,
in den städtischen Waldungen einen geeigneten und dem alten Baum ähnlichen Ersatzbaum
auszusuchen, in den die sorgsam gesammelten Nägel wieder eingeschlagen
werden sollten, was „vielleicht als ein besonderer Akt durch die Hitlerjugend" geschehen
könne.
Dem Trauerspiel mit den gemaßregelten Bediensteten des Hochbauamtes und dem
Possenspiel der vaterländisch gebotenen Baumrettungsaktionen folgte nun noch ein
Kabinettsstückchen von aktivem und passivem Widerstand gegen den verbissenen und
überzogenen Patriotismus des Oberbürgermeisters: Im ganzen Stadtwald war zunächst
kein geeigneter Ersatzbaum zu finden. Als dieser im März 1939 angemahnt
wurde, konnte der Forstdirektor glaubhaft dartun, daß der Ersatzbaum im Laufe des
Sommers 1939 ausgesucht und „unmittelbar nach der Saftstockung im Spätherbst
zum Einschlag" gebracht würde. Aber der Spätherbst 1939 fiel in den Anfang des
Zweiten Weltkrieges, und so wollte auch der Oberbürgermeister „in Anbetracht der
Zeitumstände" von der Aufstellung eines Ersatzbaumes Abstand nehmen. Im November
, nach dem siegreichen Polenfeldzug, wiederum gemahnt, erklärte der Forstdirektor
, daß wegen der gemachten Erfahrungen — der Nagelbaum hätte vor der Benage-
lung entrindet, konserviert und präpariert werden müssen — nur eine ganz bestimmte
Baumsorte als Ersatz in Frage kommen könne, die er jedoch nicht näher bezeichnete.
Resigniert verfügte der Oberbürgermeister am 2. Februar 1940, daß man die Angelegenheit
„auf sich beruhen lassen" solle. Von einer Unterrichtung der Öffentlichkeit
über das traurige Ende des Nagelbaumes durch die Presse sei abzusehen. „Wiedervorlage
nach dem Krieg" steht auf dem letzten Blatt des Aktenfaszikels.
Das ist die bewegte Geschichte des Freiburger Nagelbaums, der keineswegs den
Ersten Weltkrieg mitfinanzieren half,14 ja nicht einmal mehr für heldische Stimmungsmache
zu Beginn des Zweiten Weltkrieges gebraucht werden konnte. Im Freiburger
Stadtwald blieb der Ersatznagelbaum ungefüllt stehen.
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