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echten, wenn auch blutlosen Staatsstreich gegen die Patrizier durchsetzen können.
Die gemeinsame Aktion der achtzehn Zünfte hatte eine radikale Änderung der Stadtverfassung
zur Folge gehabt, die den bisherigen zweiteiligen Rat zugunsten eines einheitlichen
Organs beseitigte, das aber eine paritätische Vertretung von Adligen, Kaufleuten
und Handwerkern vorsah.74 Die 1392 von Herzog Leopold sanktionierte neue
Stadtverfassung, die der gewaltsamen Machtverschiebung eine nachträgliche Legitimierung
erteilte,75 bildete nicht nur die Grundlage für Freiburgs öffentliches Leben
für über hundert Jahre, sondern schuf ebenfalls die Voraussetzungen für den endgültigen
politischen Sieg der Handwerkerzünfte im 15. Jahrhundert. Gegenüber diesem
Wendepunkt tritt die Bedeutung der partiellen Machtergreifung im Jahre 1491 vollends
zurück. Sie hat eine Verfassungsänderung weder erzielt noch bewirkt; sie führte
zu keiner entscheidenden Umverteilung der politischen Macht; sie hat nicht einmal
die Handhabung der Finanzverwaltung zufriedenstellend geregelt, die 1495 wiederum
Anlaß zu Streitigkeiten geben sollte. Erst die Unruhen im Sommer 1492 sollten
zeigen, in welchem Maße sich hinter der Gemeindebewegung ein nacktes Ringen
um parteipolitische Interessen verbarg.
IV
Bei der Vorwahl des neuen Rats am 18. Juni 1492 — die förmliche Einsetzung erfolgte
am 24. Juni im Beisein des Landvogts und der vorderösterreichischen Hofräte — erlitten
die Oppositionellen einen schweren Rückschlag. Gemäß dem Wahlverfahren
durften sie nicht wieder als Zunftmeister aufgestellt werden, dafür konnten sie in der
Regel erwarten, als Zusatzräte für das kommende Jahr turnusmäßig kooptiert zu werden
. Keiner der Gemeindevertreter wurde aber in dieser Weise beibehalten. Von den
neuen Zunftmeistern zählte überdies nur einer, der reiche und schon betagte Metzger
Ytelhug, zu den Anhängern der Bürgeropposition.76 Allein der 1490 eingeführten
Umbesetzung der Finanzbehörde war es zu verdanken, daß zwei der hinausgeworfenen
Zunftmeister, Konrad Walzenmüller und Heinrich Zilling, als Gemeindevertreter
bei den Kaufhausherren weiterhin im Amt bleiben konnten. Kurz nach dem förmlichen
Wahlakt am Mittsommertag ist Walzenmüller jedoch unter verdächtigen Umständen
umgebracht worden. Im Ratsbesatzungsbuch ist danach sein Name als Kaufhausherr
mit dem Vermerk 'tot' durchgestrichen worden.77
Der Tod Walzenmüllers löste erhebliche Spannungen unter der Bevölkerung aus,
doch sträubte sich der Rat, über den Vorfall Ermittlungen anzustellen, bis sein Bruder
Jakob — offenbar sonst ein völlig Unbeteiligter — Anfang Juli König Maximilian um
die Vorantreibung des Falls ersuchte.78 Seine Verschleppung hat ohnehin Anlaß zu
Mutmaßungen gegeben, daß Walzenmüller auf Betreiben des Rats ermordet worden
sei. Bei den endlich aufgenommenen Ermittlungen, die sich bis in das Frühjahr 1493
erstreckten, haben die drei sogenannten heimlichen Räte — die vom Rat beauftragten
städtischen Untersuchungsrichter — mehrere Anhänger der Opposition verhaftet und
verhört. Die einen wurden aus der Stadt verwiesen, die anderen mußten Urfehde
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