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schwören. Weitere Zeugen hatten wiederholt vor den Räten auszusagen. Aus den verschiedenen
Prozeßakten und Zeugnissen lassen sich die Vorgänge im Sommer 1492
annähernd rekonstruieren. Dabei entpuppt sich Walzenmüller als eine schillernde
Figur, die in Freiburg auf eine zwiespältige Resonanz gestoßen war.
Die Wiederwahl der alten Garde wurde sofort Zielscheibe von unflätigen Schimpfreden
. Die altgedienten Ratsherren wurden auf offener Straße und bei heimlichen Zusammenkünften
verschiedentlich als Bösewichte verflucht,79 der Rat selber als
'Muhme' Rat denunziert,80 d. h. als Schwätz-Konventikel verspottet. In den Zünften
hat Walzenmüller mittlerweile versucht, unter den Gesellen durch Versprechung er-
leichterter Arbeitsverhältnisse Stimmung gegen den Rat zu machen.81 Überdies ist
Walzenmüller anscheinend gleich nach der Ratswahl zu König Maximilian geritten,
um ihn zum Eingreifen in die liederliche Amtsführung nach Freiburg zu bewegen.82
Für einige Personen, so meinte der Oppositionelle Jacob Megerich, käme der König
allerdings zu früh, denn er würde einen Vogt — d. h. einen Schultheißen — einsetzen
, der die Strafgerichtsbarkeit ohne unstatthafte Bevorzugung der Reichen handhabe
.83 Eine derartige Schmähung seiner Autorität konnte der Rat auf keinen Fall
dulden. Daher mußte sich Walzenmüller allerlei Spottreden gefallen lassen, die Zweifel
an seiner unversehrten Wiederkehr äußerten: Er käme nicht wieder, die Krähen
würden ihn denn in ihren Kröpfen tragen.84 Der Gemeindeführer meinte dazu lediglich
, er könne seine Sache guten Gewissens verantworten.85 Daß ihm möglicherweise
ein Gewaltstreich vor Augen schwebte, ist anhand der überlieferten Aussagen
nicht von der Hand zu weisen.86
Doch machte Walzenmüllers Tod kurz nach der Ratswahl derartige Pläne hinfallig.
Angesichts allerlei höhnischen Geredes hingen seine Anhänger, die ohnehin davon
überzeugt waren, daß er einem Attentat zum Opfer gefallen sei,87 solche Gedanken
indes vorerst weiter nach. Konrad Walzenmüller wurde nämlich als 'Judenkönig' gebrandmarkt
; seine zweiundsiebzig Jünger müsse man wohl erst suchen.88 Mit wilden
Worten wurde auf diese für eine notorisch antisemitische Stadt brisanten Beschimpfungen
reagiert. Obgleich sich mehrere Oppositionelle von ihrem Anführer
nachher verständlicherweise zu distanzieren bemühten, fehlt es nicht an glaubwürdigen
Stimmen — auch aus minderbemittelten Schichten —, die Walzenmüller und
seine Anhängerschaft als Bösewichte denunzierten.89 Zu diesen gehörte auch Heinrich
Hengst, der der Stadt verwiesen wurde, weil er behauptet hatte, Walzenmüller
sei von einem Frauenzimmer geblendet.90 Daß Hengst aber zumindest seine heimlichen
Beschützer hatte, geht aus den Verhörprotokollen hervor, denn die Oppositionellen
wollten jemanden — etwa Konrad Walzenmüllers Bruder Jakob — zu ihm ins
Gefängnis schicken, um einer verstohlenen Befreiungsaktion zuvorzukommen.91
Daraus darf man natürlich nicht schließen, Hengst sei in Wahrheit Attentäter auf Konrad
gewesen. Auffallend sind die Umtriebe dennoch, die schwerlich eines Schimpfwortes
wegen geschahen.
Die Untersuchung von Walzenmüllers Tod hat der Rat nur schleppend in Angriff
genommen, er machte sich eher daran, die Identität der Oppositionellen aufzuspüren.
Nach mehreren Sitzungen der heimlichen Räte mußten dann die ersten Schuldigen am
17. Juli Urfehde schwören. Caspar Has92 und Conrad Rösch,93 deren agitatorisches
Treiben nicht zu leugnen war, wurden sogar auf ewig aus der Stadt verbannt. Sie
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