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ren Gebieten Südbadens. Als ein Teil des Habsburgerreichs hatten die Sickinger die
folgenden herrschaftlichen Rechte gegenüber ihren leibeigenen Untertanen in Hinterzarten
: 1. Sie bekamen ein Drittel der Kaufsumme von jedem verkauften Haus oder
Grundstück. 2. Beim Ableben eines Bauers bekamen sie den Fall oder Leibfall, d.h.
das beste Pferd, Vieh oder Kleid. (Nach der Aufhebung der Leibeigenschaft wurden
sie taxiert.) 3. Von jedem Grundbesitzer sammelten sie jährlich einen Bodenzins.
Zahn schrieb aber, daß dies kaum 100 fl für die ganze Gemeinde ausmachte. 4. Sie
besaßen Jagd- und Fronbezugsrechte, die für Hinterzarten unbedeutend gewesen sein
sollen. 5. Hinterzarten mußte einen Brückenzoll von 120 fl im Jahr an Ebnet bezahlen
. Die größte Last für die Hinterzartener war das erste Recht, aber Zahn charakterisierte
dieses Verhältnis als „großzügig."78
Die Einwohnerstruktur des Kesslerhofs gibt ein gutes Abbild der sozialen Verhältnisse
des landwirtschaftlichen Sektors von Hinterzarten. 16 Personen lebten darauf
und zwar der Bauer und die Bäuerin, ihre zwei Kinder, ein Knecht und ein Unterknecht
, die Magd und eine Untermagd, zwei Hirtenbuben, der Altbauer mit seiner
zweiten Frau und drei Kindern und eine ledige Frauensperson. Daneben waren Hausleute
in der Mühle — der Hausmann, seine Frau, ihre sechs Kinder und eine ledige
Frau.79 Man sieht hier die Wirkung des geschlossenen Erbrechts. Der Hof mußte
auch die Nichterbenden unterstützen, die auf ihm alle möglichen Arbeiten fanden.
Eine gewisse Oligarchisierung fand also statt. Die wenigen Hofbesitzer waren die Pri-
viligierten, und jeder herrschte über eine kleine Gesellschaft. Die soziale Herrschaft
hatte aber ihre ökonomischen Nachteile. Zahn schrieb, daß die großen Bauern hoch
verschuldet wären und immer mehr an Löhnen an ihre unteren Schichten bezahlen
müßten. Er meinte, daß es dem Tagelöhner mit ein paar Kühen besser ginge.
Neben den 38 Höfen gab es am Anfang des 19. Jahrhunderts 46 selbstständige
„Häuslein" und 20 Hofhäuslein, worin die Tagelöhnerfamilien wohnten. Andere bewohnte
Häuser waren das Jagdhaus der Sickinger, drei andere herrschaftliche Häuser
und das Pfarrhaus. Es gab 45 Handwerker mit fünf Knechten oder Gesellen in Hinterzarten
. 15 Personen aus neun Familien waren mit der Uhrenmacherei beschäftigt
,80 welche sich am Anfang des 19. Jahrhunderts in einer Niedergangsphase befand
.81 Am Ende des Untersuchungszeitraums waren etwa 10 bis 15 in der neuen
Löffelmacherei tätig. Es gab auch zwei Strohhutmacher und zwei Baumwollspinnerinnen
. Der Handel mit Glas und Uhren beschäftigte 12 bzw. 11 Leute und der mit
anderen Waren 13 Leute. Schließlich gab es ein Posthaus mit einer Wirtschaft und
zwei Tierärzte.82 Die berufliche Struktur sah insgesamt also folgendermaßen aus:
, Einheiten
63 „Stadt
84 Agrar
um 10
47
38
46
6
Höfe (inkl. die 20 Hofhäuslein)
selbständige Tagelöhner
Manufaktur und Handel
Handwerker (inkl. Knechte und Gesellen) und
Professionalisten (die zwei Tierärzte)
andere (die Sickinger, der Pfarrer und das
Postamt)
147
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