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teilung und in den Bergen normalerweise das Minoraterbrecht. Aber im Oberland
gab es auch in den Berggemeinden Realteilung. Ebenfalls war dies der Fall in den
Besitzungen St. Blasiens, die in den Bergen lagen. Im Hochberg übten manche
Gemeinde auf der geologischen Grenze beide Erbrechtsformen.
Zwei weitere Faktoren in der Auswanderung waren Krieg und Religion. Die Rolle des
Kriegs als eine direkte Ursache der Auswanderung ist oft in der Literatur überbetont
worden. Nach 1714 war Südbaden längere Zeit relativ frei von den schlimmsten
Kriegsergebnissen, und bis dahin war die Auswanderung sehr gering. Andere Gebiete
in Deutschland, z. B. Sachsen, mußten die späteren Kriege ertragen und dennoch
wanderten wenige aus. Für die wenigen Leute jedoch, die im späten 17. und frühen
18. Jahrhundert auswanderten, spielte der Krieg doch eine wichtige Rolle.176 Das Leben
für sie wurde einfach unerträglich. St. Peter, zum Beispiel, erlebte 1713 ein
schweres Kriegsjahr und eine hohe Auswanderung. Aber die überwiegende Mehrheit
aller Auswanderungen fand außerhalb der schlimmsten Kriegszeiten (zwischen 1714
und 1792) statt. Eine mögliche Ausnahme wäre 1744, als die Franzosen Freiburg und
seine Umgegend besetzten. Erst ab 1792 erlitt Südbaden wieder hohe Kontributionen,
Durchzüge, Plünderungen und Brandststiftungen. Aber auch sie waren nicht mit den
früheren zu vergleichen, und der Höhepunkt der Auswanderung war bis dahin sowieso
vorbei (siehe Abbildung 12).
Die wesentlichsten Zusammenhänge zwischen Krieg und Auswanderung waren tiefer
und langfristiger. Besonders der Dreißigjährige Krieg, aber auch die Kriege der
zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts verursachten eine große Mobilität in der Bevölkerung
. Der Krieg hatte die Bodenverwurzelung gelockert. Die Bauern mußten dauernd
in die Städte oder weiter fliehen, wenn die Soldaten einzogen. Sie waren daher immer
mehr bereit, in die Ferne zu ziehen und eine neue Heimat zu suchen, wenn sie unter
schweren Druck kamen. Im 18. Jahrhundert war die Bevölkerung wegen dieser Mobilisierung
viel empfanglicher für Auswanderung als im 16. oder frühen 17. Jahrhundert
.177 Jedoch wirkte der Krieg auch langfristig als ein auswanderungshemmender
Faktor. Durch den Dreißigjährigen Krieg wurde das starke Anwachsen der Bevölkerung
im vorausgegangenen Jahrhundert ausgelöscht. Fortgeschrittene Güterzersplitterung
und Bevölkerungsdruck auf das Land waren schon am Anfang des 17. Jahrhunderts
ein Problem. Die Entvölkerung des Dreißigjährigen Kriegs verschob diese
Krise für ein Jahrhundert. Ohne den Krieg hätte die Auswanderung vielleicht früher
angefangen. Krieg wirkte kurzfristig auch als ein auswanderungshemmender Faktor.
Er verhinderte oft die Bewegung von Menschen über weite Entfernungen. Ein Blick
auf die Ankünfte von deutschen Einwanderern in der amerikanischen Hafenstadt Philadelphia
im 18. Jahrhundert macht dieses klar.178
Mit dem Durchbruch der Toleranz im 17. und frühen 18. Jahrhundert spielte religiöse
Verfolgung als Auswanderungsursache keine Rolle mehr. Die letzte große Verfolgung
erfolgte 1732, als der katholische Erzbischof die Protestanten aus Salzburg vertrieb.
Sie wanderten meistens nach Preußen aus, aber einige gingen nach der britischen Kolonie
Georgia in Nordamerika. Im 18. Jahrhundert gab es wohl noch einzelne Fälle
von Ausweisungen, aber große religiöse Verfolgungen spielten keine Rolle bei der
Auswanderung mehr. Die Religion war dafür wichtig bei der Auswahl eines Ziellandes
. Amerika nahm meistens nur Protestanten auf, aber es gab sehr wenige, die aus
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