http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1987/0152
rungen innerhalb der österreichischen Länder erlauben, während solche nach anderen
Ländern der Erlaubnis von Freiburg bedurften. Eine auswanderungsfeindliche
Bevölkerungspolitik (wie beispielsweise in den badischen Ländern und Württemberg)
konnte also in Vorderösterreich keine große Rolle spielen, obgleich Josef II. oft Rücksicht
auf die Bedürfnisse der vorderösterreichischen Regierung nahm, als er seine Bevölkerungspolitik
in Gang setzte. Also beauftragte Wien Vorderösterreich, 500 Familien
als Kolonisten nach Batschka und Arad zu senden. Ein Beamter in Freiburg war
allzubereit, diesen Wunsch zu erfüllen, weil er meinte, daß sein Land übervölkert sei.
Die Güter seien zu sehr zerstückelt, so daß zu viel Leute sich davon nicht mehr ernähren
könnten. Das Land habe zu viele arme, liederliche und unnütze Leute. Ungarn
schickte 1755 Agenten nach Vorderösterreich, um katholische Siedler anzuwerben.
Wien warb 1759 und 1766 noch mehr Siedler durch solche Methoden an. Die Auswanderungsgebühren
in Vorderösterreich waren viel niedriger als in Baden-Durlach.
Bis zur Aufhebung der Leibeigenschaft 1781 war die Entlassungsgebühr nur mehr
oder weniger 4 fl 30 x und die Abzugsgebühr 10 % des Vermögens. Nach 1781 verlangte
man eine Taxe von 3 % des Vermögens anstatt der Entlassungsgebühr bei
gleichbleibender Abzugsgebühr. Insgesamt betrugen dann die Gebühren in Vorderösterreich
die Hälfte derer von Baden-Durlach.202
Die Auswanderungspolitik war also in Vorderösterreich weniger restriktiv als in
Baden-Durlach. Die merkantil istische und kolonialistische Bevölkerungspolitik in
Wien verlangte eine Auswanderung aus dem Teil der habsburgischen Länder in einen
anderen und förderte sie deshalb aus Vorderösterreich und anderen Ländern. Andererseits
hatte Baden-Durlach von der Auswanderung keinen Vorteil und mußte immer
dagegen ankämpfen. Die Auswanderungsgebühren in Vorderösterreich waren niedriger
und die Aufhebung der Leibeigenschaft kam zwei Jahre früher (1781 gegenüber
1783). Trotzdem war die Auswanderung aus Vorderösterreich nicht höher als die in
Baden-Durlach. Die Bevölkerungszahl der zwei Länder war ungefähr gleich (d. h.
jene Teile dieser Länder, die in Südbaden lagen), jedoch kamen ungefähr zwei Drittel
aller südbadischen Auswanderer aus Baden-Durlach. Darüber hinaus hatte die Aufhebung
der Leibeigenschaft keine große Wirkung auf die Auswanderung, wahrscheinlich
weil sie von soviel Bedingungen begleitet wurde. In den Jahren 1781/82 nahm die
Auswanderung nicht wesentlich zu und 1783 nur etwas, dann fiel sie aber 1784 wieder
ab (siehe Abbildung 12).
Die Wirkung der Bevölkerungspolitik in Südbaden auf die Auswanderung selbst
war wie auch die Werbung der Zielländer ein immer vorhandener, aber nicht quantifizierbarer
Faktor, der einigermaßen den Lauf der Auswanderung beeinflußte. Sie
war im großen und ganzen ein Hindernis für die Auswanderer — mehr für die aus
Baden-Durlach als die aus Vorderösterreich. Jedoch konnte Karlsruhe sie nicht immer
regelmäßig durchführen, weil die Regierung eines so weit auseinander liegenden
, dezentralisierten Landes nicht dazu fähig war. Die größten Hindernisse der Auswanderung
waren das Fehlen der Freizügigkeit in beiden Ländern und die hohen
Auswanderungsgebühren, die nur teilweise 1781 und 1783 durch die Aufhebung der
Leibeigenschaft erleichtert wurden.
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