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Kalbsnetz wieder zu einem Schlegel geformt. Mit einem zweiten Netz bedeckt und
mit Faden umwunden wird er in einer Kasserolle gebraten. Ein Schlegel unserer heutigen
Ausmaße würde keinesfalls mehr in einen Brattopf passen!
Die Fleischqualität dürfte nicht der unsrigen entsprochen haben, da das Fleisch oft
weichgeklopft oder -geschlagen wurde. Aus diesem Grund werden Fleisch, Wild und
Geflügel in vielen Rezepten zuerst gekocht und dann gebraten. Besonders auffallend
ist dies bei den Farcen und Füllungen für die Pasteten und Fleischknöpfe, für welche
gekochtes oder gebratenes Fleisch feingehackt und -gestoßen wird. Eine Ausnahme
bilden die Spießlein, für die gehacktes Kalbfleisch ausdrücklich „ohn gekocht", mit
Brot und Gewürzen zu „brocken" geformt, in ein Stück Netz eingepackt und an
Spieße gesteckt auf dem Rost gebraten werden.
Das Frischhalten der Lebensmittel warf eben Probleme auf — rohes gehacktes
Fleisch verdirbt sehr schnell —, die die Barxlin z. B. beim Wellerfisch so löste: Man
solle einem Fisch einen mit Branntwein getränkten Brotbrocken ins Maul stecken,
dann könne man ihn ein paar Tage aufbewahren. Fleisch wurde wohl eher durch Salz
konserviert, „wie es in Teutschland . . . gebräuchlich ist".41
Als Neuerung aus dem Französischen42 wurde das „Fricanto", auch „geschlagenes
Fleisch" genannt, übernommen. Schöne Kalbfleischscheiben aus dem Schlegel,
manchmal gespickt, wurden mit Zwiebeln, Mehl, Gewürzen und Zitronenschale gedämpft
, mit Fleischbrühe abgelöscht. Sie erinnern an die in Italien heute noch üblichen
Scaloppine al limone. Im Freiburger Kochbuch von 1839 sind sie auch noch zu
finden, ebenso wie die „Kalbskarminaten"; im moderneren von 1836 werden letztere
bereits Kalbskotelett genannt. In unserem Kochbuch wird nur der ganze Rücken zubereitet
, noch nicht die einzelnen Koteletts, die sich nach 1700 immer mehr in den
besseren Häusern einbürgerten.43 Aus Kalbfleischscheiben wird auch das „Griblet"
(Bl. 112v) hergestellt, eine Art Kalbsrouladen mit Kalbfleischfarce.
Häufiger sind die Zubereitungsarten mit gekochtem und gehacktem Kalbfleisch,
wie sie auch noch 1839 vorkommen; vermutlich Resteverwertung der weniger schönen
Stücke. Daraus wurden entweder Fleisch- und Farceknopf genannte Serviettenknödel
gemacht, die in Brühe oder in Buttersoße serviert wurden, oder auch Fülle
für Pasteten und Mehlspeisen. Für die Zubereitung des Fleischteigs (wie heute für
Fleischküchle oder Hamburger) werden die Semmeln in Milch eingeweicht und ausgedrückt
, die Eier jedoch im Gegensatz zu heute oft auf dem Feuer gestockt, nicht
roh, dazugegeben, so daß kaum Bindung entstehen konnte. Serviert wurden diese
Serviettenknödel gern mit einem „Ragu" von Kalbsbries und Kalbsohren. Mit dem
neuen Begriff Ragout wurde das ältere Wort Schüssel speise abgelöst, das
M. A. Barxlin noch zu Beginn ihres Kochbuchs (Bl. 20r) verwendete.
Relativ neu scheint auch das Wort 'Haschee4 für fein gewiegtes oder gehacktes
Fleisch zu sein, denn es soll erst seit 1701 aus dem Französischen übernommen worden
sein.44 Es wird von der Barxlin bereits zu Beginn ihres Kochbuchs, also 1715,
verwendet.
Wie schon beim Schwein waren auch beim Kalb die gefragten Stücke der Kalbskopf
mit Ohren, Zunge und Hirn, die Kalbsfüße und dazu noch die Innereien, allen voran
das Kalbsbries, auch 4Brisellen4 genannt.
Zu sechs Pastetenfüllen wird es verwendet, bei zwei Ragouts, dreimal zusammen
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