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Nötiges veranlassen, ehe er nach Ostpreußen zurückfuhr. 1945 kam die Geschäftstätigkeit
zunächst zum Erliegen, das kleine Team versuchte das irgend Mögliche. Im
Herbst kam Karl Zimmer zurück, dank dem langsamen Ingangkommen eines reduzierten
Wirtschaftslebens hatte man im Sommer 1946 die Basis für eine Wiederherstellung
erreicht. Die Verkaufsstelle in der Stadt befand sich jetzt Salzstraße 22 im
Laden von Drescher und Hauns. Es folgte der Umzug aus der Schillerstraße 18 nach
Schillerstraße 22 gegen Ende 1947, das Haus, in dem ein halbes Jahrhundert vorher
der große Soziologe Max Weber während seiner Freiburger Zeit gewohnt hatte.
In den Jahren 1946 und 1947 war Karl Zimmer monatelang durch alle Besatzungszonen
unterwegs, um noch vorhandene Bücherbestände aufzuspüren, die dann in
Rucksack, Koffer, Säcken oder Ballen per Bahn oder über irgendwelche Lkw nach
Freiburg gelangten. Die alten Beziehungen wurden erneuert, in der beiderseitigen
Freude, daß man noch lebte, neue Bekanntschaften wurden geknüpft. Die ersten wissenschaftlichen
Zeitschriftenhefte wurden breit gestreut, und so ein den veränderten
Bevölkerungsverhältnissen entsprechendes Vertriebsnetz vorläufig aufgebaut. Der
Gedanke der Versorgung der interessierten Menschen, deren es viel mehr waren als
später in der Ära des Fernsehens, wurde nie aus den Augen verloren, allerdings nicht
immer gedankt. Als Karl Zimmer seine Kollegen vor Weihnachten 1947 veranlaßte,
die Abgabe von Büchern über die Haushaltskarte zu rationieren, bis jeder Einwohner
die Möglichkeit des Erwerbs eines Geschenks gehabt hätte, gab es mißverständliche
Auslegungen, die noch lange nachwirkten.
Ende August 1949 konnte auf dem Trümmergrundstück Kaiser-Joseph-Straße 195
(heute Kaufhof-AG.) ein Behelfsladen mit über 20 m Schaufensterlänge erstellt werden
. Grundstückseigentümerin war die Firma Werner-Blust, deren Juniorchef Hans-
W Werner, später Direktor des Freiburger Kaufhofs, das Ödland vor der Halbruine
seines Hinterhauses, in dem er bereits wieder sein Geschäft eingerichtet hatte, durch
eine Passage (natürlich nicht überdeckt) erschließen wollte, deren eine Seite seine
Schaufenster und deren andere ein vermieteter Laden einnehmen sollte. Karl Zimmer
d. J. nahm das Angebot gerne an. Die Holzbauten erstellte die Holzbearbeitungsfirma
Scherer aus Gaggenau in der noch ungewohnten Fertigbauweise als Prototyp, Regale,
soweit sie nicht alt zusammengekauft oder bereits vorher in den auch später 1955 verwandten
Maßen gefertigt waren, die Freiburger Schreinerei Rösinger, die selber total
ausgebombt war. Planung und dekorativer Sektor waren Eigenleistung des Betriebs,
Mit der hellen Holzfarbe, auch heute von allen Fachleuten bevorzugt, wurde auf die
alte Tradition zurückgegriffen — man war gerade 200 Jahre alt —, in den Auslagen
kam noch ein braunroter Ton zur Anwendung, Aufschriften waren farbig auf elfenbeinfarbigen
Kartons. Das Lichtband der Leuchtröhren war in der dunklen Trümmerlandschaft
der Stadtmitte eine Sehenswürdigkeit.142
Um breitere Käuferschichten anzusprechen, wurde Büchern niederer Preislage
große Aufmerksamkeit zugewandt. In diesen neuen Anfangsjahren pflegte die Firma
als eine der ersten in Freiburg das Jugendbuch,143 und sie wandte sich später als
erste Freiburger Buchhandlung intensiv der aufkommenden Gattung der Taschenbücher
zu, die zunächst von vielen Buchhändlern abschätzig abgelehnt wurden. Entscheidenden
Anteil an dieser Initiative kam dem jungen Buchhändler Rainer Moog
zu (heute Mitinhaber Fa. Vaternahm-Kasel), der ein Jahr seiner Wanderzeit im Hause
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