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und Höhe wesentlich übertraf. Es ergibt sich also, daß die Kirche auf dem hier interessierenden
Gemälde tatsächlich in der Tradition des Ordens steht. Zeitlich dürfte sie
daher etwa zwischen Maulbronn und Heisterbach einzuordnen sein.
Besonders auffällig ist der an die Westfront im Norden angelehnte Treppenturm.
Er war achteckig und anscheinend in nur zwei sehr hohe Geschosse eingeteilt, die
wiederum lisenenartige Verzierungen aufwiesen. Es ist nicht auszuschließen, daß das
obere Geschoß dieses Treppenturmes mit seinem verhältnismäßig spitzen Dach und
kleinen Ziertürmchen eine nachträgliche Hinzufügung darstellte. Vielleicht hat man
auf diesem Wege versucht, doch noch einen Ersatz für einen als fehlend empfundenen
Turm zu erhalten. Daß derartige Treppentürme besonders für Kirchen der Zisterzienserinnen
kennzeichnend waren, haben wir bereits erwähnt (vgl. oben Abb. 3, 4). Der
Zugang zum Treppenturm wurde anscheinend ursprünglich durch ein später zugemauertes
Portal am Seitenschiff eröffnet, das sehr eigenartige spätromanische Formen
aufweist. Parallelen für diese sind mir bisher nicht bekannt geworden. Sie wären
für die Datierung des beschriebenen Gebäudeteils nicht unwichtig. Insgesamt wird
durch den westlichen Bau der abgebildeten Kirche die Vermutung bestätigt, daß es
sich dabei um die Empore einer Zistersienserinnenkirche handeln müsse.
Der östliche Teil der abgebildeten Kirche ist als Basilika mit überwiegend gotischen
Formen ausgestaltet gewesen. Er trägt aber sowohl an der Nordwand des Kirchenschiffs
wie am Querhausgiebel Lisenen. Auch scheinen zwei Fenster im nördlichen
Seitenschiff vielleicht noch romanische Formen aufgewiesen zu haben. Damit
ist jedoch nicht zu belegen, daß hier vielleicht noch ursprünglich romanische Teile
weiterverwendet worden sein könnten. Die Fenster des Seitenschiffs sind zu undeutlich
erkennbar, als daß man sie eindeutig als romanisch ansprechen könnte. Aber bekanntlich
haben die Zisterzienser auch nach dem Ausklingen der Romanik noch längere
Zeit Lisenen und später Bogenfriese an ihren Kirchen verwendet. Genannt seien
etwa die Kirche von Heiligkreuztal um etwa 1270 und aus gotischer Zeit die spätere
Kirche von Doberan.25 Sonst zeigt dieser Bauteil die für die Zisterzienser charakteristischen
gotischen Langfenster, die beim Mittelschiff durch die Pultdächer des Seitenschiffs
teilweise verdeckt werden. Das Querhaus scheint zwei solcher Langfenster
aufgewiesen zu haben. Im Giebel darüber trägt es ein anscheinend gotisches Rundfenster
, wie sie auch sonst von diesem Orden häufig verwendet wurden. Man sah in
ihnen nämlich ein Symbol für Christus.26
Die kritische Betrachtung des neuerdings im Kloster Lichtental wieder aufgefundenen
Gemäldes einer Kirche hat so viel charakterische Einzelheiten zutage gefördert,
daß die anfangs aufgestellte Behauptung, es handele sich um eine Zisterziensterinnen-
kirche, als erwiesen gelten kann. Diese ist zeitlich wohl in das 13. Jahrhundert zu setzen
. Wenn nicht, was eindeutig nicht gesagt werden kann, der Ostteil in gotischer
Zeit einen Umbau erfahren haben sollte, ist zunächst mit dem Westteil im romanischen
Stil begonnen worden. Das würde zwar dem allgemein üblichen Brauch widersprechen
, denn man begann den Bau von Kirchen zunächst allgemein mit dem Altarraum
. Aber im vorliegenden Fall kam es anscheinend vorrangig darauf an, in Gestalt
einer Empore einen Versammlungsraum für die Nonnen zu schaffen, in dem die
Stundengebete abgehalten werden konnten. Dabei hielt man sich zunächst noch an
romanische Bauformen. Bekanntlich waren die Zisterzienser vor allem im Westen
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