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anlaßt durch seinen Artikel „Eine Renaissance-Ofenplatte mit JUSTITIA und MARS
aus Eschbach",5 berichtete ihm Hauptlehrer Klaus Pille, er besitze von den Schwiegereltern
Sitterle aus der „Herrenmühle" in Heitersheim eine reliefierte, rostige
Ofenplatte. Eine zweite ging vor Jahren an einen unbekannten Käufer. Nach der Restaurierung
durch Malermeister Jost (Lörrach-Stetten) zeigte sich darauf eine ziemlich
gut erhaltene CARITAS mit zwei Kindern ohne Jahrzahl auf einer Gesamtfläche
von 112 x 65 cm mit einem Gewicht von über 75 kg (Abb. 2):
Bei Durchsicht des Verzeichnisses der Ofenplatten im Augustiner Museum hatte
sich die oben besprochene Gußplatte von 1591 gefunden. Doch eine weitere CARI-
TAS von 1651 war auch aufgeführt. Die Überraschung war groß, als Anfang 1987 die
übersandte Aufnahme dieser Platte das gußgleiche Motiv mit der von der „Herrenmühle
" zeigte, aber noch mit der datierenden Jahrzahl 1651!
Ihr Erhaltungszustand war leider „flauer", wohl infolge auch von Feuer und Rost.
Doch besitzt sie einige besser erhaltene Einzelheiten. Da mit dem Fund der Heiters-
heimer CARITAS unsere Suche nach ähnlichen Gußstücken begann, wollen wir, von
ihr ausgehend, die St. Georgener Platte ergänzend heranziehen (Abb. 2/3). Doch zunächst
noch einen kleinen, wichtigen Einschub: Bei Bartsch3 findet sich in der
Reihe der sieben Kardinaltugenden auch ein Holzschnitt von Hans Burgkmair aus
Augsburg (1473 — 1533) „Die Liebe" (Abb. 4), der sehr schön den Stilwandel des
Motivs der CARITAS, zwar ohne Gußparallele, über gut hundert Jahre hinweg zu unserer
Heitersheimer und St. Georgener Platte zeigt (Abb. 2/3): Der Meister bringt im
Grunde noch eine Art Madonnenfigur in spätgotischer Erinnerung mit innigem Blick
zum Kind auf ihrem Arm, mit schlanken, dünnen Fingern. Doch neu im Sinne der
Renaissance ist die Gestaltung des Gewands, ihr Füllhorn mütterlicher Liebe und
Fürsorge in der Rechten und ein weiteres nacktes Kind zu ihren Füßen, das das Gewand
schützend an sich zu ziehen scheint.
Sahen wir CARITAS auf der Ofenplatte von 1596 im wörtlichen Sinne als Randfigur
, die nur einen kleinen Akzent zur Symbolik des Mahnspruchs beizutragen hat,
so wird sie auf den gußgleichen Abbildungen von St. Georgen und Heitersheim
(Abb. 2/3) isoliert, zentral in Begleitung zweier Kinder, 60 cm hoch, dargestellt. Die
Umrandung betont eine kräftige Hohlkehle.
Wir sehen, wie in diesen 55 Jahren die künstlerische Darstellung und Auffassung
zum Motiv sich erheblich änderte. Der theaterhafte Pomp, das Antikisierende sind
verschwunden: Eine barfüßige, muntere Frau in den besten Jahren wird im Weiterschreiten
aufgehalten durch ein stehendes Kind an ihrer rechten Seite, dem sie liebevoll
, beschützend die Hand auf den Scheitel legt, während es sich am Rock hält. Das
andere, das sie mit festem Griff an ihre Brust drückt, scheint eingeschlafen zu sein.
Das Köpfchen liegt schlaftrunken an ihr. Das Gesicht sieht man undeutlich, etwas
seitlich, im verlorenen Profil. Rumpf und Beine sind zu erkennen. Die rechte Kinderhand
verdeckt der Körper. Die linke liegt gelöst auf ihrem verhüllten Oberarm. Das
Gesicht der Frau im Dreiviertelprofil ist auf der St. Georgener Platte mit voller
Wange deutlicher zu erkennen, ihr Blick scheint in die Ferne gerichtet. Das volle
Haar bleibt undeutlich auf beiden Stücken.
Von beachtlichem Schwung und Musikalität sind alle Gewandfalten (Abb. 2), die
in ihrer Ausdruckskraft doch einen tüchtigen Holzschneider verraten, der wohl eine
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