http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1987/0330
Schwerpunkt immer stärker auf die Erwerbung eines eigenen Territoriums zu verlagern, mit
dem die Stadt wirkungsvoller als mit Ausbürgern ihr Vorfeld sichern konnte.
Diese Gebiete brachten zwar wenig Einkünfte und waren allenfalls für die Lebensmittelversorgung
wichtig, mit ihnen beherrschte die Stadt jedoch die lebenswichtigen Handelsrouten
über den Schwarzwald.
Da die Stadt gleichzeitig energisch die Rechte ihrer Bürger im Umland vertrat, führte das
zu immer stärkeren Spannungen zwischen Bauernschaft und Stadtbevölkerung, wie die Ebrin-
ger Kirchweih 1495 schlaglichtartig beleuchtete.
Großen Stellenwert räumt der Autor dann der städtischen Finanzpolitik ein, die zwar nur
indirekt das Verhältnis zum Umland prägte, aber entscheidend den allgemeinen Rahmen
städtischer Politik bestimmte. Die Stadtverschuldung war seit der Loslösung von den Grafen
von Freiburg 1368 laufend gestiegen; denn die unaufhörlichen Kriege und Fehden, die Abwanderung
der wohlhabenden Adligen und Bürger und eine stetig schrumpfende Stadtwirtschaft
hatten keine Erholung zugelassen. Nachdem die Krise in den Jahren 1440 bis 1460 einen
Höhepunkt erreicht hatte, unternahm der von den Zünften dominierte Rat energische Versuche
eines Krisenmanagements. Angesichts einer katastrophalen Überschuldung und einer
schrumpfenden Stadtwirtschaft mußte er versuchen, einen Mittelweg zwischen den erforderlichen
Steueropfern zur Sanierung der Stadtfinanzen und dem allgemeinen Wohlergehen der
Zunftbürgerschaft zu finden. Dabei verfolgte er eine Doppel Strategie. Neben der Förderung
protektionistischer Maßnahmen wurde 1476 eine Steuerreform in Angriff genommen. Diese
„austerity" Maßnahmen, verbunden mit cliquenhafter Verhärtung des Rates, führten zu einer
breiten Unruhewelle in den Jahren 1490 bis 1492, deren Verlauf und Trägerschichten Scott
ausführlich untersucht. Hier sei ergänzt, daß in diesen unruhigen Jahren neben den eigentlichen
Aufrührern eine neue Ratsmannschaft, bestehend aus so bekannten Namen wie Peter
Sprung, Jörg Dörffel, Ulrich Frowenfeld u. a., offensichtlich gebildete und dynamische Persönlichkeiten
, immer mehr die Ratspolitik bestimmt. In den folgenden Jahren entwickelte der
Rat eine beachtliche Flexibilität, um durch eine wirksame Sozialkontrolle einerseits und einen
vorsichtigen Konsens mit den Zünften andererseits die Stabilität wiederherzustellen.
Wie tragfahig sich dieser Konsens in den Zeiten von Bundschuh und Bauernkrieg erweisen
sollte, ist dann Thema des dritten Teils. Den Aufständischen gelang es niemals, eine nennenswerte
Gefolgschaft in der Stadtbevölkerung zu gewinnen. Folgerichtig setzte auch Jos Fritz'
Plan 1513 auf die handstreichartige Überrumpelung der Stadt. Als das Bauernheer im Mai
1525 die Stadt belagerte, standen wohl die Bauern der Freiburger Talvogtei in seinen Reihen,
doch die Freiburger Stadtbevölkerung verhielt sich eher ängstlich und abwartend. Zu einem
kritischen Moment kam es, als im Juni 1525 in der Rebleutezunft, der wenig angesehenen
Agrar und Tagelöhnerzunft, anläßlich der Zunftmeisterwahl Unruhen ausbrachen und das
Gerücht von einem Aktionsbündnis mit den benachbarten Bauerngemeinden umlief. Doch zu
diesem Zeitpunkt war die Bauernbewegung durch schwere Niederlagen bereits entscheidend
geschwächt und befand sich in Friedenverhandlungen mit den Fürsten, so daß der Rat dieser
Gefahr leicht Herr werden konnte. Leitlinie der Ratspolitik in jenen Jahrzehnten war das Bemühen
, alle Unruhefaktoren, die von innen oder außen den nach 1492 mühsam erreichten
Konsensus stören konnten, auszuschalten. Entsprechend verhaßt war die Stadt bei der Bauernschaft
als Vorkämpfer gegen die Reformation und Bauernbewegung.
Scott ist ein Buch gelungen, das neben profunder Quellenkenntnis eine knappe und übersichtliche
Darstellung auszeichnet, die es auch einem fremden Leser ermöglicht, die geschichtlichen
Abläufe im deutschen Südwesten zu verstehen. Wie jede gute Arbeit, so bietet
auch das Buch Anregungen zu neuen, weiterführenden Fragestellungen. So stellt sich jetzt die
Frage nach einer systematischen Untersuchung des Grundbesitzes der Freiburger Bürger im
Umland. Welche Schichten waren daran beteiligt? Wo lagen Schwerpunkte? Welche Struktur
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