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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
106.1987
Seite: 331
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1987/0333
Dieser veröffentlichte 1826 anonym „Deutschland oder Briefe eines in Deutschland reisenden
Deutschen", in denen er, tagebuchartig und in Briefform, seine kritisch-liberale Sicht des
deutschen Staatstheaters auch in Baden und Württemberg im Zeitalter der Reaktion unter die
Zeitgenossen brachte. Auch Weber war, nach kurzer Karriere im Hofdienst, 1820 — 1824
württembergischer Landtagsabgeordneter des Oberamtes Künzelsau. An seinen Stil wie an
seine Offenheit wird denken, wer das in Ton und Absichten allerdings deutlich gemäßigtere
vorderösterreichisch-alemannische Gegenstück Hansjakobs liest, die bewußt subjektive Erinnerungen
des kritischen Liberalen und Politikers.

Und diese geistige Substanz im Rahmen des Genres eben scheint mir die Neuausgabe für
den süddeutschen Raum durchaus zu legitimieren, denn sie bringt auch in die zeitgenössische
Reiseliteratur eine Facette, die von dort üblicher Adulatorik und Erhebungssucht wohltuend
sich abzuheben vermag. Das Unternehmen der Waldkircher Verlagsanstalt, die zuerst
1900 — 1905 zusammengestellten fünf Bände neu zu drucken, ist also durchaus sinn- und verdienstvoll
.

Im ersten Band liegt die Darstellung einer Reise vom Elztal aus über Baar und Hegau, Bodensee
, Untermarchtal und Nordschwarzwald von 1900 vor. Das Zentrum der Reise-Reflexionen
Hansjakobs bilden keineswegs Landschaftsschilderungen oder gar das Abenteuerliche — der
Titel „Verlassene Wege*4 entspringt konservativ-kritischer Haltung des Seelsorgers, der die
Wege infolge des Aufkommens der Eisenbahn für von allem Normal-Menschlichen verlassen
hält. Vielmehr sind es die auf der Reise besuchten Menschen, deren Schicksal und Lebenslauf
, charakteristisch für die Zeitläufe, in denen dieses Leben sich abspielt, den Hauptgegen-
stand seiner Überlegungen und Betrachtungen bilden.

Nicht ohne Koketterie mit seinem eigenen Lebenslauf als politisch denkender und schrift-
stellernder Zeitgenosse mit einem gewissen Bekanntheitsgrad in Baden und Württemberg sieht
sich Hansjakob dabei unter den „Sonderlingen unserer Zeit*4 und gewinnt von hier aus den
Standpunkt für seine Kritik an den vielerlei Erscheinungen des neuen deutschen Kaiserreichs
und an den Schwächen zeittypischer Lebensläufe. Hier schimmert das Erbe des oben angedeuteten
politischen TraditionsStranges der Gattung durch.

Mit dieser Reise zu den Menschen mehr als zu den Landschaften fassen wir also eine Art
Bekenntnis eines liberal-badischen Bürgers im neuen Kaiserreich der Deutschen, gleichsam
mit mehr Biß als Biedermeier. Daher der sorgfältige, in Fraktur gesetzte Nachdruck mit allen
Illustrationen des Originals von C. Liebich keineswegs ein Stück simpler Hansjakob-Nostalgie
, sondern ein literarisches Denkmal, das in der einen oder anderen Hinsicht Fontanes
„Wanderungen durch die Mark Brandenburg*4 an die Seite zu stellen wäre. In realistischer
Manier bilden hier wie dort eben Menschen das Zentrum der Darstellung und keineswegs handelt
es sich um das Lob vergangener Tage als literarischen Selbstzweck. Insgesamt ein zeit-
und kulturgeschichtlich fesselndes Zeugnis für das Denken des katholischen Liberalismus in
der badischen Provinz, dem Großherzogtum des letzten Kaiserreiches.

Hemut Bender hat ein sehr lesenswertes einführendes Nachwort geschrieben und den Band
mit notwendigen Anmerkungen versehen, die den heutigen Leser den Rang des Werkes als
Zeitdokument besser erkennen lassen — viele der von Bender ausgebreiteten Kenntnisse sind
für ein richtiges Verständnis des Beziehungsgeflechtes Hansjakobscher Reiseschriftstellerei
unabdingbar, und es steht zu hoffen, daß die geplanten 4 Folgebände in ähnlicher Sorgfalt und
Bibliophilie, wie man sie den Waldkirchern wieder einmal hoch anrechnen muß, hergestellt
und so auch bald erscheinen werden. Karl-Bernhard Knappe

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